Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
Vom Netzwerk:
der blass und mit rotunterlaufenen Augen wie ein blutleerer Nidhögg zwischen den weißen Laken lag. Ihre Blicke trafen sich. Es kribbelte in Charlies Magengegend. Biarn lächelte. Seine Stimme war rau und schwach, als er sprach, doch er war trotz seines erbärmlichen Zustands bei klarem Verstand.
    Offenbar hatte er kein Medikament erhalten, das den Kopf in Watte packte …
    »Nein«, krächzte er heiser. Es klang, als hätte ihn jemand fast zu Tode gewürgt …
    »Ich glaube nicht, dass Oden tot ist«, sagte er leise. »Verletzt vielleicht. Aber nicht tot. Nicht solange seine Fylgjen noch am Leben sind.« Charlie horchte auf.
    »Seine Fylgjen?« Und dann kam ihr ein erschreckender Gedanke. Sie sah sich suchend um. »Deine Fylgja, ist sie … tot?«, fragte sie entsetzt. Biarn sah Charlie lange an. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Nein, sie ist nicht tot. Sie ist nicht einmal geschwächt. Ihr Kampf wurde nicht erwidert.«
    Charlie sah Biarn verwirrt an.
    »Was meinst du damit? Hat dein Räsvälg nicht mit Odens Fylgjen gekämpft?« Und dann fragte sie mit gerunzelter Stirn: »Wie sehen Odens Fylgjen überhaupt aus? Und wieso überhaupt Fylgjen ? Hat er mehrere ?«
    Biarn fuhr sich mit einer vor Schwäche zitternden Hand über die Augen.
    »Er hat zwei.« Und nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Ich habe mich immer gefragt, weshalb ich Odens Fylgja nicht sehen kann. Ich bin fälschlicherweise davon ausgegangen, dass es in irgendeiner Weise mit seinen enormen, uralten Kräften zusammenhängt. Ich habe mich geirrt. Bis auf einen Punkt lag ich so falsch wie es nur möglich ist. Oh ja, es sind enorme, uralte Kräfte im Spiel. Aber die Fylgjen werden dadurch nicht verborgen . Ganz im Gegenteil. Jedermann kann sie sehen. Jedermann kennt und fürchtet sie unter ihren Namen Hugin und Munin! Seine Raben, seine ständigen Begleiter, seine Augen und Ohren.« Biarn hielt inne, um Atem zu holen.
    Alle Augenpaare waren auf ihn gerichtet, als er fortfuhr.
    »Hugin und Munin, Gedanke und Erinnerung – Odens Gedanken und Erinnerungen, seine Raben! Zwei Raben, ehemals körperlose Fylgjen, die seit Jahrtausenden Gestalt annehmen können. Ich gehe jede Wette ein, dass die Zwillinge ein Abbild Odens selbst sind. Jüngere, kraftvollere Kopien eines Magiers, dessen Körper mit der Zeit gealtert ist«, sagte Biarn mit einem bitteren Unterton in der Stimme. »Sein Körper ist uralt, doch seine Gedanken und Erinnerungen sind jung und frisch wie eh und je. Sie nehmen in Körpern Gestalt an, die der Blüte seiner Jugend entsprechen, am Höhepunkt seiner Manneskraft.«
    Charlie starrte Biarn ungläubig an. Ihr in Watte gepacktes Gehirn arbeitete fieberhaft.
    »Du meinst, die Raben Hugin und Munin sind eigentlich seine Fylgjen ?«, fragte sie verwirrt.
    Biarn nickte.
    »Und sie können Gestalt annehmen …«, flüsterte Charlie.
    »Ganz genau«, krächzte Biarn.
    »Aber wie …?« Charlie verstand die Welt nicht mehr.
    Die Zwillinge waren Oden?
    Plötzlich vernahm sie eine Stimme, die aus der Ecke des Raumes kam.
    »Das ist also euer Freund«, sagte Ragnar leise. »Lodurs Sohn ist einer von uns. Ist es das, was ihr mich glauben machen wollt?« Seine Stimme war kaum lauter geworden, doch ein bedrohlicher Unterton war zu hören.
    Biarn zuckte zusammen und machte Anstalten, aus dem Bett zu springen. Tora und Kunar hielten ihn ohne viel Mühe zurück. Er war viel zu schwach, um ernsthaften Widerstand zu leisten, doch er versuchte sich umzudrehen, um Ragnar anzusehen.
    »Was geht hier vor?«, krächzte Biarn. »Ich war unvorsichtig …«, murmelte er mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme. »Ich ging davon aus, wir wären unter uns!«
    »Wir sind unter uns!«, rief Tora. »Das ist Ragnar. Er gehört zu unserer Gemeinschaft!«
    »Das stimmt, Biarn«, fiel Charlie ihr ins Wort. »Ragnar ist einer von uns! Er weiß alles, was wir wissen. Mit Ausnahme von dir, natürlich«, fügte sie hinzu. »Aber das weißt du ja, oder etwa nicht? Unser Wort war magisch bindend!«
    »Ragnar hat uns mehrmals geholfen«, sagte Kunar mit ruhiger Stimme. »Durch sein Eingreifen konnten wir ein ganzes Dorf vor einer Feuersbrunst retten.«
    »Ja, genau!«, rief Tora. »Ein magisches Feuer. Durch Oden persönlich gelegt und vorangetrieben.« Biarn sackte in die Kissen zurück.
    »Ragnar?«, fragte Biarn geschwächt. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. Er schloss kurz die Augen, sprach aber weiter. »Wenn das so ist … Würdest du dich

Weitere Kostenlose Bücher