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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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selbstlos das Leben gerettet«, sagte er. »Das scheint zur Gewohnheit zu werden.« Er lächelte. »Eine sehr lobenswerte Gewohnheit.« Charlie verdrehte die Augen.
    »Und dann trafen wir Ragnar«, sagte sie hastig, um von sich abzulenken.
    »Richtig!« Tora übernahm wieder das Wort. Sie erzählte von dem Dorffest in Friggstorp, der Begegnung mit dem Thul und der Rettung der Dorfbewohner vor dem Feuertod. »Wir hatten ja keine Ahnung, dass es genau der Thul war, von dem Kapitän Brage erzählt hatte!«, sagte Tora. »Aber da er in die Berge wollte und offensichtlich den Weg kannte, haben wir uns ihm dann angeschlossen. Es war reiner Zufall, dass Sora sich genau bei diesem Kentauren-Klan aufhielt.« Biarn nickte.
    »Oder Schicksal«, murmelte er und wechselte einen prüfenden Blick mit Ragnar.
    »Das sagt Ragnar auch ständig!«, platzte Tora heraus. »Meint ihr denn, dass alles vorausbestimmt ist? Steht denn alles in den Runen, und wir sind nur Figuren in einem makabren Spiel?«
    »Ich glaube nicht, dass wir nur Marionetten sind«, versuchte Biarn zu erklären. »Zwar steht tatsächlich alles in den Runen, doch was wäre geschehen, wenn Charlie und auch Sora ihr Orakel niemals zu hören bekommen hätten? Wären wir dann auch hier vereint? Würden wir dann auch alle für ein gemeinsames Ziel kämpfen? Und auch dann, wenn man seine Runen kennt, hängt es dann nicht immer noch davon ab, dass man sich ihnen beugt? Charlie hätte auch einen anderen Weg wählen können. Sie hätte sich dafür entscheiden können nichts zu tun. Sie hätte zur Erde zurückkehren und dort in Sicherheit leben können, bis an ihr Lebensende.«
    Alle Augen richteten sich auf Charlie. Sie war froh gewesen, dass Tora das Reden übernommen hatte und nun schien es, als ruhe alles auf ihr.
    »Nein«, sagte Charlie nach einer Weile. »Ich hätte mich nicht anders entscheiden können. Meine Vergangenheit hinderte mich daran. Es war zu viel geschehen und …«, sie zögerte, »… und alles zusammengenommen hat dazu geführt, dass ich die bin, die ich bin. Ich kann nur so handeln.« Sie sah in die Runde. »Versteht ihr?«
    Sora nickte. Ihr Blick war nach innen gerichtet.
    »So geht es mir auch. Es ist meine Vergangenheit, die mich antreibt. Ich muss einfach herausfinden, wer ich bin, also war mein bis-heriger Weg vorherbestimmt. Meine Vergangenheit hat mich und mein Denken geformt. Ich musste dem Orakel folgen. Es war wie ein Zwang …«
    Charlie fühlte, dass Sora in diesem Augenblick an ihre Mutter dachte und Ragnar an seinen Vater, und sie verstand, dass jeder hier im Raum, Biarn eingeschlossen, in seiner Kindheit oder Jugend Dinge erlebt hatte, die prägend gewesen waren. So prägend, dass der künftige Weg zumindest in groben Zügen vorausbestimmt war.
    Wäre Tora mit ihr gegangen, wenn Ull, Odens Handlanger, nicht ihre Mutter auf solch brutale Weise getötet hätte? Wäre ihr Hass auf Oden groß genug gewesen, um ihr Leben zu riskieren? Und Kunar. Er hatte gleich zwei Gründe, gegen Oden aufzubegehren, Seine Mutter – und Hanna.
    »Das Orakel ist so ähnlich wie der Trollspiegel«, überlegte Charlie. »Es ist so, als ob es seine Voraussagen auf Grund der Erfahrungen der Menschen macht. Und der jeweilige Charakter des Orakelbefragers entscheidet dann über die letzten beiden Runen. Die Runen, die verraten, ob sich für denjenigen ein Kampf gegen Oden lohnen kann.«
    »So ähnlich könnte man es wohl ausdrücken«, pflichtete Biarn bei. »Allerdings ist wohl nicht nur der Charakter entscheidend. Mutigeren und edleren Männern wurde von einem Kampf abgeraten.«
    »Und diese letzte Ungewissheit, die nennt sich dann Schicksal.« Ragnars tiefe Stimme klang im Raum nach.
    »Und wie sieht dein Schicksal aus, Ragnar? Ein Thul mit besonderem Wissen … Was ist deine Aufgabe in diesem Leben?«, fragte Biarn.
    Ragnar betrachtete Biarn und danach jeden einzelnen im Raum sehr nachdenklich. Es war, als würde er ein letztes Mal abwägen, ob diese Gemeinschaft es wert war, dass er sein so lange gehütetes Geheimnis preisgab. So viele Jahrtausende bewahrt …
    »Ich bin ein Thul«, begann er schließlich. »Ein Bewahrer von Überlieferungen, und ich überliefere nicht mehr und nicht weniger als die Wahrheit.«
    Ragnar zog einen Stuhl heran und ließ sich zwischen Charlies und Biarns Betten nieder. Tora setzte sich am Fußende auf Charlies Bett und Kunar stellte sich zu ihr.
    »Meine Aufgabe ist es, das Wissen über die alte Zeit zu bewahren und zu überliefern.

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