Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
ihrer Ungeduld zerfetzte sie dem Mann die Kehle und warf ihn beiseite, als es mit ihm zu Ende ging. Dann drang sie in den Wagen ein, wo das Wesen der Nacht von zwei ängstlichen Augenpaaren empfangen wurde. Eine Frau in den Vierzigern, wohlgenährt mit üppigen Formen, und ein junges Mädchen, mit ungewöhnlich hellem Haar. Die Frau war das nächste Opfer. Unnötig brutal zerfetzte sie sie und weidete sich, während sie trank, am Entsetzen des jungen Mädchens. Ihre Angst nährte und stärkte sie fast ebenso wie das Blut. Die zu einem Wimmern unterdrückten Schreie in ihrer Ahnung des Todes wurden gierig vom Hass aufgesaugt. Schon schwebten ihre Reißzähne über dem jungen Hals, als sie es sich anders überlegte. Man konnte es noch ein wenig auskosten. Sich noch ein wenig an der Vorahnung des nahen Todes und der Verdammnis laben. Sie zog das Mädchen zu sich heran und warf es über ihre Schulter. Mit ausladenden Schritten machte sie sich auf den Rückweg zur Burg. Die Nacht war noch lang, und vielleicht würde das junge Ding sie ein wenig von ihrem marternden Rad der immer gleichen Gedanken ablenken. Zumindest der Blutdurst würde für diese Nacht erträglich gedämpft sein. Gestillt war er niemals. Ganz egal wie viel Beute sie sich erjagte und wie viel Blut sie trank. Das war ihr Fluch, für alle Ewigkeit. Das, und die Wut, die sich– wie der Blutdurst– niemals würde stillen lassen.
Auf Poienari angekommen, schleppte sie das Mädchen in den Turm und warf es dort auf den Boden. Ihr Bitten und Flehen rührten sie nicht. Mitleid gehörte nicht zu den Gefühlen, die sie empfinden konnte. Kalt sah sie auf ihr drittes Opfer in dieser Nacht herab, das mit seinem hellen blonden Haar und dem zarten Körperbau ein wenig an Ivy erinnerte. Dann war auch dieses junge Leben verwirkt und starb einen grausamen Tod unter den Zähnen eines Vampirs. Gesicht und Hände rot vom Blut des Mädchens sprang sie auf und reckte die Fäuste in die Luft. Stolz und stark fühlte sie sich. Unbesiegbar. Ein Triumphschrei löste sich von ihren Lippen und klang in ihren Ohren.
Ivy riss die Augen auf und kam zu sich. Da stand sie auf dem Felsen über den tosenden Wassern, deren Brausen diesen Schrei, der so gar nicht zu ihr gehörte, mit sich riss. Ihre Fäuste waren erhoben, doch die Haut war rein und weiß. Und auch in ihrem Gesicht war kein Blut, und dennoch war es ihr, als könne sie dessen Wärme noch spüren und schmecken. Die unbändige Wut, die nicht die ihre war, ließ ihren Körper noch immer beben. Erst nach und nach verebbte sie.
Erschöpft ließ sich Ivy zu Boden sinken. Noch immer ein wenig ungläubig starrte sie auf ihre sauberen Handflächen herab, die sich warm und klebrig anfühlten. Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten. Nun, nachdem der Sturm der Gefühle verebbte, konnte sie mit klarem Kopf darüber nachdenken. Es war beängstigend und verstörend, aber gleichzeitig eine ungeahnte Möglichkeit. Ob er davon wusste? Nein, vermutlich nicht. Und ganz sicher war dies nicht in seinem Sinn. Ivy sah auf den Drachenring an ihrem Finger herab. Ein kaltes Lächeln huschte über ihre Miene. Damit ließ sich etwas anfangen.
Missverständnisse
» Wie sehe ich aus?« Franz Leopold drehte sich einmal um seine Achse.
Falls sich Matthias darüber wunderte, dass der junge Dracas seine Meinung hören wollte, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Obwohl so etwas vermutlich noch nie vorgekommen war. Mit seiner stoischen Miene betrachtete er den schon übernatürlich gut aussehenden Vampir mit seinem schönen, inzwischen markanten Gesicht, den edel geschwungenen Brauen und dem dunklen Haar. Sein makelloser Körper steckte in einem neuen Frack, der perfekt passte und seine körperlichen Vorzüge noch unterstrich. Die Schuhe waren von Matthias so gründlich poliert, dass man sich in ihnen hätte spiegeln können.
» Sehr schön«, meinte der Servient emotionslos, nachdem er seine Musterung beendet hatte.
Franz Leopold runzelte die Stirn. » Ein wenig mehr Begeisterung, wenn ich bitten darf!«
Um Matthias’ Mundwinkel zuckte es leicht. » Mir war nicht klar, dass Euer Selbstbewusstsein der Bestätigung eines Servienten bedarf.«
Franz Leopold sah ihn verdutzt an. Für einige Augenblicke schwankte er zwischen Ärger und Belustigung. Dann gewann sein Sinn für Humor die Oberhand und er grinste.
» Braucht es auch nicht. Ich weiß, dass meine Erscheinung perfekt ist!« Doch er merkte selbst, dass ihm der überhebliche Ausdruck,
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