Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
den er stets so gut beherrscht hatte, misslang. Vielleicht, weil er Alisas Gesicht vor sich sah, wie sie vorwurfsvoll die Augenbrauen hob. Franz Leopold versuchte zu ignorieren, dass er ungewöhnlich nervös war. Es gab überhaupt keinen Grund dazu! Ein neues Akademiejahr begann. Er traf die Erben der anderen Clans wieder. Sie würden sich neue Fähigkeiten aneignen. Nichts, was einen nervös machen sollte.
Wieder sah er Alisa vor sich. Die vorlaute und fast schon skandalös freimütige Vamalia, die stets sagte, was sie dachte, und so voller Wärme mit vor Begeisterung strahlenden Augen lächeln konnte, dass es einem schon ein wenig schwindelig werden konnte. Wem wollte er eigentlich etwas vormachen? Also dann los. Sie wartete bestimmt schon in der Halle.
Unter der Tür drehte sich Franz Leopold noch einmal um. » Und überhaupt, wie wagst du es, mit mir zu sprechen? Erinnere mich nachher daran, dass ich dir deine Frechheit wieder austreiben muss.«
» Gewiss, Master Franz Leopold«, sagte der Schatten beflissen, doch der Dracas spürte wohl, dass er seine Worte nicht sonderlich ernst nahm. Vielleicht war er in letzter Zeit ein wenig nachlässig zu seinem Servienten gewesen, was ganz sicher auf Alisas schlechten Einfluss zurückzuführen war. Bei dem Gedanken an die Vamalia ließ ein Lächeln seine Züge erstrahlen. Er lief vier Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinunter, bis die Stimme seiner Cousine ihn innehalten ließ.
» Diese ungebührliche Eile schickt sich nicht für einen Dracas! Befürchtest du etwa, zu spät zur Begrüßung der Vyrad zu kommen?« Marie Luise lachte schrill.
Mit Widerwillen wandte sich Franz Leopold zu ihr um. Alleine ihr Tonfall ließ bittere Galle in seinem Hals aufsteigen. Sosehr sich sein Verhältnis zu Anna Christina in den vergangenen Monaten gebessert hatte, so sehr verabscheute er seine jüngere Cousine. Jeder Rest von Sympathie für sie war ihm gründlich vergangen, als Marie Luise Ivys Geheimnis an Baron Maximilian verraten hatte. Nein, das würde er ihr in alle Ewigkeit nicht verzeihen! Und so troff seine Stimme geradezu vor Abscheu, als er ihr antwortete:
» Marie Luise, kümmere dich in Zukunft um deine eigenen Angelegenheiten und sprich mich nicht an, wenn du nicht riskieren willst, dass dein Dasein frühzeitig ein gewaltsames Ende findet.«
Seine Cousine ließ sich nicht so leicht beeindrucken. Sie lachte gehässig. » Oh, ist da jemand immer noch erzürnt, dass die kleine Lycana die Abreibung bekam, die sie verdiente?«
Franz Leopold war mit einem riesigen Satz neben ihr. Seine Hand schloss sich um ihre Kehle, sodass ihr entsetzter Aufschrei zu einem Gurgeln verebbte.
» Ja, ich bin immer noch › erzürnt ‹ , wobei das ein viel zu harmloses Wort dafür ist, was ich dir gegenüber empfinde. Deine krankhafte Gehässigkeit hätte sie fast ausgelöscht. Glaube nicht, dass ich das jemals vergesse. Ich werde dich im Auge behalten, also pass auf, was du tust!«
» Sie ist nur eine dumme Unreine«, keuchte Marie Luise unter seinem Griff, der ihr so die Kehle zudrückte, dass ein Mensch längst erstickt wäre.
» Lass sie los!« Karl Philipp kam die Treppe herunter.
Franz Leopold drückte noch einmal kräftig zu, dann stieß er die Vampirin mit einem Ausdruck von Verachtung von sich. Marie Luise griff sich jammernd an ihren malträtierten Hals, auf dem sich dunkle Male abzuzeichnen begannen.
Der Blick, mit dem Karl Philipp sie musterte, war kaum freundlicher als der seines Cousins, dennoch sagte er: » Franz Leopold, du solltest dir überlegen, auf welcher Seite du stehst. Glaube mir, ich verabscheue ihr affektiertes Getue ebenso wie du. Doch vergiss nicht: Sie ist eine Dracas! Unsere Treue gehört zuallererst unserem eigenen Blut. Du hast dir von diesem Akademiegeschwätz den Geist vernebeln lassen. Von wegen › die Clans müssen zusammenarbeiten und einander vertrauen ‹ . Ich habe es von Anfang an nicht gut gefunden, mit was für Vampiren du dich abgibst. Vamalia, Nosferas– und dann sogar eine unreine Lycana. Und nun wendest du dich auch noch gegen eine Dracas! Treibe es nicht zu weit. Ich möchte dich nicht auf die harte Tour daran erinnern müssen, was du deinem Clan schuldig bist!«
Franz Leopold setzte eine gelangweilte Miene auf. » Das hört sich an, als wolltest du mir drohen. Kommst du dir da nicht selbst lächerlich vor? Wovor sollte ich mich fürchten? Dass du versuchst, mich mit einem Prügel niederzuschlagen, oder dass du mich zu einem Zweikampf
Weitere Kostenlose Bücher