Die Erben der Schöpfung
der bedrohlichen Schimpansenmeute auf der Fähre und hoffte auf die Rückkehr seiner vier Gefährten. Nachdem er nicht nur den Telefonkontakt zu Stiles und Sameer verloren hatte, sondern auch den zu Jamie und Paulo, fühlte sich Jeremy wie ein kompletter Versager. Noch schmerzlicher empfand er den Verlust seines guten Freundes Roger, aber auch den der anderen Kollegen, denen er Vertrauen und Respekt entgegenbrachte.
Das Warten schien nicht enden zu wollen und wurde nur durch zwei kurze Berichte vom Firmengelände unterbrochen. Der eine bezog sich auf die Obduktion Mercers. Die ärztliche Leichenbeschauerin hatte auf Jeremys Bitte hin angerufen und ihm mitgeteilt, dass Mercer am Dengue-Schock-Syndrom gestorben war.
Angesteckt hatte er sich wahrscheinlich durch einen Mückenstich bei seinem ersten Erkundungsgang nach der Flucht der Schimpansen. Nach einer Inkubationszeit von vier Tagen war die Krankheit rasch fortgeschritten. Die Ärztin meinte, Mercer habe »aus den Kapillargefäßen geblutet und eine disseminierte intravaskuläre Koagulation erlitten, auf die schließlich ein multiples Organversagen folgte. Hätte er früher ärztlichen Beistand erhalten, hätte er eventuell überlebt.« Für diese letzte Äußerung, mit der die Ärztin, ohne es zu wissen, Schuldgefühle in ihm weckte, zeigte sich Jeremy erkenntlich, indem er sang- und klanglos auflegte.
Der zweite Bericht stammte von Jordan, der erklärte, dass eine gewisse Sally Heathrow, deren Name ihm kein Begriff sei, die sich jedoch als gute Freundin von Kenji ausgebe, so bald wie möglich mit einem Mitglied des Expeditionsteams sprechen wolle. Jeremy notierte sich nicht einmal ihre Nummer. Er wollte mit niemandem reden.
Außer natürlich mit Stiles, und auf diese Gelegenheit würde er um jeden Preis warten. Da es nichts Konkretes mehr zu tun gab, war er bereit, zwei Wochen vor Ort zu bleiben – solange er zu essen hatte –, ehe er sein Telefon und eine Notiz im Basislager zurücklassen und wieder über den Fluss zurückkehren würde.
Also wartete er. Nach zwei weiteren Nächten hatte er die Hoffnung schon fast aufgegeben und litt unter einer gefährlichen Kombination aus Schuldgefühlen und Langeweile. Immer wieder hatte er mit dem Gedanken gespielt, sich auf die Suche nach den anderen zu machen, seien sie nun tot oder lebendig, die Idee jedoch regelmäßig als lächerlich verworfen. Er würde sie niemals finden, und falls doch, wäre er ihnen wahrscheinlich keine große Hilfe, sondern würde womöglich noch einmal den Schimpansen in die Arme laufen.
In diese Überlegungen war er gerade versunken, als er zu seinem großen Erstaunen Rufe hörte – und zwar nicht irgendwelche Rufe, sondern eine absolut unverwechselbare Stimme. »Jeremy, du Penner! Wenn ich dich beim Surfen erwische, streiche ich dir das verfluchte Stipendium!«
Jeremy grinste und brüllte zurück. »Nur zu, aber dann kriegst du nie genug Daten zusammen, um je wieder etwas zu veröffentlichen!« Er wandte sich um und sah seine Kameraden flussabwärts auf ihn zukommen. Dabei bemerkte er zwei Fremde, die offenbar zusätzlich zur Gruppe gestoßen waren, was man ihm vermutlich bald erklären würde. Er drehte den Zündschlüssel um und ließ den Motor aufjaulen.
Am nächsten Tag räumte Jamie ihr Büro bei BrainStem. Paulo war zu seiner Forschungsstation zurückgekehrt, um sich zu verabschieden, da sie alle beide dem Dschungel den Rücken kehren und einen längeren Urlaub machen wollten. Jamie hatte fast den ganzen Tag an nichts anderes denken können.
Ihr verstauchter Knöchel war durch die Ruhe und ein Paar Krücken schon viel besser geworden, erinnerte sie aber nach wie vor lebhaft an die Ereignisse der letzten Tage. Sie hatte es auf sich genommen, den Firmenchef davon zu informieren, was sich in den Gefrierschränken hinter Nakamuras Büro befunden hatte.
Obwohl Drake heftig bestritten hatte, irgendetwas von diesen Experimenten zu wissen, hatte er nicht sonderlich überrascht gewirkt, so als fände er diese Neuigkeit auf eine Art und Weise einleuchtend, über die er sich nicht näher äußern wollte. In ihrem Gespräch mit Drake hatte Jamie eingewilligt, ihm bei einem letzten Anliegen behilflich zu sein. »Diese Sally Heathrow mit ihren ganzen Fragen macht mich noch wahnsinnig«, erklärte er. »Könnten Sie versuchen, mir die Person vom Hals zu schaffen?«
Jamie erklärte sich bereit, sie anzurufen. Den ganzen restlichen Vormittag hatte sie über diese Aufgabe nachgedacht und sich
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