Die Erben von Hammerfell - 5
Lady…«
Mit knapper Not hielt sie einen Schrei zurück. Dann erkannte sie die Stimme und in der tiefer werdenden, vom Feuerschein durchzuckten Dunkelheit das vertraute Gesicht von Markos.
»Habt keine Angst, ich bin es bloß.«
Erminie stieß erleichtert den angehaltenen Atem aus. »Oh, den Göttern sei Dank, daß du es bist! Ich fürchtete …« Ihre Stimme ging in einem gewaltigen Krachen wie von einstürzendem Mauerwerk oder Donner unter. Markos trat dicht an sie heran.
»Laßt mich eins der Kinder tragen«, bat der alte Mann. »Zurück können wir nicht mehr; die oberen Höfe stehen in Flammen.«
»Was ist mit dem Herzog?« fragte Erminie zitternd.
»Als ich ihn zuletzt sah, hielt er mit einem Dutzend seiner Männer die Brücke. Diese Schufte haben sie mit Haftfeuer angesteckt; das verbrennt sogar Stein!«
»Oh, diese Teufel!«
»Teufel sind sie in der Tat!« murmelte Markos mit einem grimmigen Blick zur Höhe hinauf. Dann wandte er sich wieder Erminie zu. »Ich wollte mitkämpfen, aber Seine Gnaden schickten mich nach unten, um Euch ins Dorf zu führen, Lady. Gebt mir eins der Kinder, dann kommen wir schneller voran.«
Erminie hörte durch das Toben des Feuers das Knarren einer großen Belagerungsmaschine, spähte nach oben und sah ihre Umrisse sich vor dem dunklen Himmel abzeichnen wie das Skelett eines monströsen unbekannten Tiers. Aus seinem Riesenmaul flogen Geschosse und gingen in der Luft in Flammen auf. Die Zwillinge zappelten auf ihren Armen und wollten abgesetzt werden. Erminie reichte einen von ihnen Markos. Sie war sich im Dunkeln nicht sicher, welchen sie ihm gegeben hatte. Es wurde kalt, die Nacht war finster, und der Regen machte den Pfad unter ihren Füßen schlüpfrig. Das Kind an sich drükkend, eilte sie den Berg hinunter, der schattenhaften Gestalt Markos’ folgend. Einmal stolperte sie über den Hund und ließ ihren Korb fallen. Sie mußte ihn aufheben und hätte ihren Beschützer beinahe aus den Augen verloren. Am liebsten hätte sie ihm nachgerufen, er solle warten, aber die Zeit drängte. Deshalb versuchte sie, ihn im Blick zu behalten, und taumelte weiter, ohne richtig darauf zu achten, wohin sie ging. Der Hund, der ihr ständig vor die Füße lief, und das schwere Kind auf ihrem Arm behinderten sie, und so dauerte es nicht lange, bis sie sich total verlaufen hatte. Wenigstens brauchte sie nur den einen Zwilling zu tragen, und der andere war in Sicherheit bei dem einzigen Mann, dem sie, abgesehen von ihrem Gatten, volles Vertrauen schenkte.
Über Steine stolpernd und immer wieder ausrutschend, erreichte sie irgendwie den Fuß des Berges. »Markos!« rief sie leise.
Es kam keine Antwort.
Wieder rief sie. Sie fürchtete, die Aufmerksamkeit der Feinde, die ringsum im Wald stecken mußten, auf sich zu lenken und wagte deshalb nicht, die Stimme zu sehr zu erheben. Oben auf dem Gipfel brannte Hammerfell. Erminie sah die Flammen wie aus einem Vulkan hochschlagen. Niemand konnte in diesem Inferno noch am Leben sein - aber wo war der Herzog? War er in der brennenden Burg eingeschlossen? Jetzt erkannte sie, daß es Alastair war, der sich wimmernd an ihrem Hals festklammerte. Wo war Markos mit Conn? Erminie versuchte, sich in dem schrecklichen Licht ihres brennenden Heimes zurechtzufinden. Von neuem rief sie leise. Aber überall im Wald vernahm sie fremde Schritte und unbekannte Stimmen, sogar Gelächter. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie die Stimmen mit ihren Ohren oder mit ihrem laran hörte.
»Ha, ha! So endet Hammerfell!«
»Das ist das Ende von ihnen allen!«
Wie gelähmt vor Angst, sah Erminie die Flammen höher und höher steigen. Mit einem Getöse, als sei das Ende der Welt gekommen, stürzte die Burg schließlich ein, und das Feuer sank in sich zusammen. Erminie floh, vor Entsetzen zitternd, durch den Wald.. Dann ging die Sonne über der Ruine, die einmal die stolze Festung Hammerfell gewesen war, auf, und Erminie fand sich ganz allein in einem fremden Wald wieder. Der Hund schmiegte sich an ihre Beine, und das müde Kind hing an ihrem Hals. Juwel winselte mitfühlend. Die junge Frau setzte sich auf einen Baumstamm, zog Juwel der Wärme wegen dicht an sich und versuchte, die Augen von dem sterbenden Feuer abzuwenden. Es hatte das einzige Heim, das sie je gekannt hatte, vernichtet.
Das Licht des neuen Tages wurde stärker. Erminie erhob sich müde, nahm die schwere Bürde des schlafenden Kindes wieder auf und schleppte sich in das, was von dem Dorf am Fuß des Berges noch übrig
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