Die Erbsünde
ich ihm geholfen habe. Und dann kann ich alles von mir abstreifen, bin alle meine Probleme auf einen Schlag los, bin frei und kann gehen, wohin ich will, kann Frau und Kinder verlassen, Patienten, Krankenhaus, Kollegen, Intrigen, kann den ganzen Krempel hinschmeißen. Und mit einem reinen Gewissen obendrein. Schließlich bin ich für das Recht eingestanden, und wenn dies daraus geworden ist, nun – dafür kann ich nichts.
Wäre es wirklich ein Verrat? Ich kann doch sowieso nichts ändern.
Vor langer Zeit hatte ein Mann in den mittleren Jahren, der inzwischen alt geworden war, zu einem jungen Mann, der inzwischen in die mittleren Jahre gekommen war, gesagt: »Das Beste, was Sie tun können, ist: sich Mühe geben.«
Aber was ist schwieriger: mit einem reinen Gewissen und ohne Probleme zu leben, oder mit Problemen und heimlichen Zweifeln über die wahren Motive?
Aber wenn man sagte: ›Ich weiß nicht‹, hieß das, daß man es nie wissen würde? Oder lag darin ein unausgesprochenes Gelöbnis: ›Ich werde es herausfinden‹?
Das war's! Er hielt einen Moment inne, so daß Moolman und Peter Moorhead verwundert aufsahen. Hinter seiner Operationsmaske mußte er lächeln über die unerwartete Ironie dieser Offenbarung.
Ich muß es tun. Koste es, was es wolle. Denn wie kann ich es wissen, wenn ich es nicht erfahren habe? Ich werde es herausfinden. Philip und ich werden als Brüder vor unseren Anklägern stehen, zusammen werden wir ins Ungewisse sehen.
Nach Beaufort West geh' ich aber nicht mit ihm, und wieder lächelte er ironisch. Ich zweifle nämlich sehr, daß sie mich fortschicken werden. Der alte Snyman wird frohlocken, und ich – und damit die ganze Herzabteilung – werde eine Zeitlang in Misskredit stehen. Aber das einzige, was es mich wirklich kostet, ist der Mut, den ich brauche, Philip beizustehen.
Also muß ich es tun.
Deon sah zu Moolman hinüber. »Was meinen Sie? Wird es gehen? Sie haben es ja oft genug gemacht.«
Moolman, der sich unverhofft in den Vordergrund gerückt sah, blickte verängstigt drein. Er zuckte zusammen, als seien die Lichter zu hell für ihn. »Es müßte«, quetschte er mit einem Blick in Giovannis halbrepariertes Herz hervor.
»Halten Sie dieses Ende beiseite«, befahl Deon. »Nein, nicht mit der Hand, Mann, mit der Pinzette! Halten Sie es nach links.« Er machte einen Einschnitt und schloß zügig das Loch zwischen den beiden oberen Kammern, das Loch, das als Sicherheitsventil gedient und Giovanni am Leben erhalten hatte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er nähte das Ende des Transplantats an die Einschnittstelle am Vorhof.
Fertig.
Er trat einen halben Schritt zurück, wie um sich einen besseren Überblick zu gönnen.
Draußen wartete Trish.
»Wärmen«, sagte er. Die Pumpe fing an zu surren.
»Wärmung läuft.«
Sie warteten, bis Leben in Giovannis Herz kam. Zuerst war es nur ein leises Flattern, dann stärker, und schließlich, endlich, schlug es in einwandfreiem Sinusrhythmus.
So, jetzt kannst du allein weiter, Giovanni!
Und du auch, Deon, sagte er zu sich selbst.
Die Temperatur war auf sechsunddreißig angestiegen. Er wies die Techniker an, die Pumpe abzustellen, und untersuchte das schlagende Herz mit peinlicher Aufmerksamkeit. Der rechte Vorhof schien mit seiner neuen Aufgabe, das Blut in die linke Lunge zu pumpen, gut fertig zu werden.
»Wie hoch ist der Venendruck?«
»Zwölf«, antwortete der Narkosearzt.
»Arteriendruck?«
»Fünfundsechzig.« Seine sonst so nüchterne Stimme bebte vor freudiger Erregung. »Ich glaube, da haben Sie auf einen Sieger gesetzt, Deon.«
»Wir werden's sehen. Machen wir einen Drucktest im rechten Vorhof.« Er nahm die Nadel zur Hand.
»Ventil öffnen!«
»Ventil auf.«
»Sind Bläschen in der Leitung?«
»Nein, Professor.«
»O. K. Hier ist Ihr Nullpunkt.«
»Alles klar.«
Deon stach die Nadel durch die Vorhofwand. »Bekommen Sie eine Aufzeichnung?«
»Ja, Professor.«
»Wie hoch ist der mittlere Druck?«
Die Spannung übertrug sich nun auch auf die Zuschauer, die wartenden Schwestern, die Studenten, die sich gegenseitig über die Schulter guckten, vielleicht sogar durch diese antiseptischen Wände hindurch auf die Frau, die allein im Korridor stand und wartete.
Der Techniker zögerte. Er kniff ungläubig die Augen zusammen. »Sieben, Professor.«
»Phantastisch!« rief Moolman. Die Schwestern und Peter Moorhead lächelten ihm zu. Der Saal war voller Stimmengewirr.
»Verdammt gut!«
»Hübsche
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