Die Erde
losgelassen. Die paar Weinberge von Rognes befanden sich jenseits der Kirche auf dem Hang, der bis zum Aigre hinabreichte. Einst erhob sich das Schloß mit seinem Park an dieser Stelle; und es war kaum mehr als ein halbes Jahrhundert her, daß die Bauern, durch den Erfolg der Weinbauern von Montigny bei Cloyes ermutigt, sich hatten einfallen lassen, diesen Hang mit Weinstöcken zu bepflanzen, der sich mit seiner Lage nach Süden und seiner steilen Böschung ausgezeichnet dazu eignete. Der Wein von dort war dürftig, aber von einer angenehmen Herbheit und erinnerte an die geringen Weine aus dem Orléanais19. Übrigens erntete davon jeder Einwohner kaum ein paar Stückfässer voll; der reichste, Delhomme, besaß sechs Arpents Wein; die Bodennutzung in der Gegend war ganz auf Getreide und Futterpflanzen eingestellt.
Sie bogen hinter der Kirche ab, gingen hintereinander am ehemaligen Pfarrhaus entlang; dann schritten sie zwischen den schmalen, schachbrettartig aufgeteilten Anpflanzungen talwärts. Als sie ein felsiges, mit Sträuchern bestandenes Gelände durchquerten, schrie eine schrille Stimme, die aus einem Loch hochklang: »Vater, 's regnet jetzt, ich bring meine Gänse raus!«
Das war Bangbüx, die Tochter von Jesus Christus, eine Göre von zwölf Jahren, mager und nervig wie ein Stechpalmenzweig, mit blonden struppigen Haaren. Ihr großer Mund war nach links schiefgezogen, ihre grünen Augen starrten einen so dreist an, daß man sie ebensogut für einen Jungen hätte halten können; statt eines Kleides trug sie einen alten, um die Hüfte mit einer Strippe zusammengeschnürten Kittel ihres Vaters. Und wenn man sie Bangbüx nannte, obwohl sie den schönen Namen Olympe hatte, so kam das daher, daß Jesus Christus, der sie von morgens bis abends anbrüllte, sie nicht anreden konnte, ohne hinzuzufügen: »Warte nur! Warte nur! Ich werd dir's heimzahlen, dreckige Bangbüx!«
Er hatte diesen Wildling von einer Landstraßenhure bekommen, die er nach einem Jahrmarkt auf einer Grabenböschung aufgelesen und zum großen Ärgernis von Rognes in seinem Loch untergebracht hatte. Fast drei Jahre hindurch hatte sich das Ehepaar schrecklich verprügelt; dann war die Schlampe, von einem anderen Mann mitgenommen, auf und davon gegangen, wie sie gekommen war. Das kaum abgestillte Kind war wie Unkraut munter gewachsen; und seit die Kleine gehen konnte, machte sie ihrem Vater, den sie fürchtete und anbetete, das Essen. Ihre Leidenschaft aber waren ihre Gänse. Anfangs hatte sie nur zwei gehabt, einen Ganter und eine Gans, die sie als ganz kleine Küken hinter der Hecke eines Pachthofes gestohlen hatte. Dann hatte sich dank ihrer mütterlichen Pflege die Herde vermehrt, und zur Zeit besaß sie zwanzig Tiere, die sie durch Plündern ernährte.
Als Bangbüx, die Gänse mit Gertenhieben vor sich her scheuchend, mit ihrem frechen Ziegenschnäuzchen auftauchte, brauste Jesus Christus auf: »Du weißt, geh heim wegen dem Essen, oder nimm dich in acht! – Und dann, dreckige Bangbüx, verschließ mir ja das Haus wegen der Diebe!«
Geierkopf grinste, Delhomme und die anderen konnten ebenfalls nicht umhin zu lachen, so schrullig kam ihnen diese Vorstellung vom bestohlenen Jesus Christus vor. Man mußte das Haus gesehen haben, ein ehemaliger Keller, drei in der Erde wiedergefundene Mauern, ein richtiger Fuchsbau zwischen Kieselsteingeröll unter einer Gruppe alter Linden. Das war alles, was von dem Schloß übriggeblieben war; und als sich der Wilddieb nach einem Streit mit seinem Vater in diesen felsigen Winkel geflüchtet hatte, der der Gemeinde gehörte, hatte er, um den Keller zu schließen, ohne Mörtel eine vierte Mauer bauen müssen, in der er zwei Öffnungen gelassen hatte, ein Fenster und die Tür. Brombeersträucher rankten herab, ein großer Wildrosenbusch verdeckte das Fenster. In der Gegend nannte man dies das Schloß.
Ein neuer Regenguß pladderte los. Glücklicherweise lag der Arpent Wein in der Nähe, und die Teilung in drei Parzellen wurde rasch durchgeführt, ohne daß jemand Einspruch erhob. Es waren nur noch drei Hektar Wiese unten am Ufer des Aigre aufzuteilen; aber in diesem Augenblick wurde der Regen so stark, ging eine solche Sintflut nieder, daß der Landvermesser, als man am Gittertor eines Anwesens vorüberkam, vorschlug hineinzugehen.
»Na, wollen wir uns eine Minute bei Herrn Charles unterstellen?«
Zögernd war Fouan stehengeblieben, voller Achtung vor seinem Schwager und seiner Schwester, die zurückgezogen
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