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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sich ihre allerdings in anderen Vorstellungen erzogene Tochter als eine überlegene Hausherrin offenbarte, was glücklicherweise die Schlappheit ihres Schwiegersohnes ausglich, der über keinerlei Verwaltungssinn verfügte. Sie hatten sich vor fünf Jahren nach Rognes zurückgezogen, von wo aus sie auf ihre Enkeltochter Elodie aufpaßten, die man nun, da sie an der Reihe war, ins Pensionat nach Châteaudun zu den Schwestern von Maria Heimsuchung gebracht hatte, damit sie dort fromm nach den strengsten Grundsätzen der Moral erzogen werde.
    Als Herr Charles in die Küche trat, wo ein junges Dienstmädchen ein Omelett schlug und dabei auf eine Pfanne Lerchen aufpaßte, die in Butter brutzelten, nahmen alle, sogar der alte Fouan und Delhomme, die Kopfbedeckung ab und schienen außerordentlich geschmeichelt, die Hand zu drücken, die er ihnen hinstreckte.
    »Ach! Was für ein reizendes Besitztum haben Sie da, Herr Charles!« sagte Grosbois, um ihm angenehm zu sein. »Und wenn man bedenkt, daß Sie einen Spottpreis dafür bezahlt haben! Ja, ja, Sie sind ein Schlauberger, ein richtiger Schlauberger!«
    Der andere warf sich in die Brust.
    »Eine Gelegenheit, ein Fund. Das hat uns gefallen, und außerdem legte meine Frau unbedingt Wert darauf, ihre Tage in ihrem Heimatort zu beschließen ... Ich, ich habe mich vor Herzensdingen immer gebeugt.«
    Roseblanche, wie man das Besitztum nannte, war die törichte Laune eines Bürgers aus Cloyes, der dafür fast fünfzigtausend Francs ausgegeben hatte, als ihn ein Schlaganfall dort zu Boden schmetterte, noch bevor der Anstrich getrocknet war. Das sehr schmucke, auf halbem Hang gelegene Haus war von einem drei Hektar großen Garten umgeben, der bis zum Aigre hinabreichte. Hier hinten in diesem verlorenen Nest am Rande der traurigen Beauce hatte sich kein Käufer gefunden, und Herr Charles hatte das Anwesen für zwanzigtausend Francs bekommen. Selig befriedigte er dort alle seine Neigungen: im Fluß gefangene prachtvolle Forellen und Aale, mit Liebe angelegte Sammlungen von Rosenstöcken und Nelken, Vögel schließlich, ein großes Vogelhaus voll von den Singvogelarten unserer Wälder, die niemand außer ihm pflegen durfte. Das gealterte und zärtliche Ehepaar verzehrte dort seine zwölftausend Francs Jahreszinsen in vollkommenem Glück, das es als rechtmäßige Belohnung seiner dreißig Jahre Arbeit ansah.
    »Nicht wahr?« fügte Herr Charles hinzu. »Man weiß hier wenigstens, wer wir sind.«
    »Zweifellos kennt man Sie«, antwortete der Landvermesser.
    »Ihr Geld spricht für Sie.«
    Und die anderen stimmten zu.
    »Gewiß, gewiß.«
    Da trug Herr Charles der Magd auf, Gläser zu reichen. Er selber ging hinunter, um zwei Flaschen Wein aus dem Keller zu holen. Die Nase der Bratpfanne zugewandt, in der die Lerchen schmurgelten, schnupperten die anderen den guten Duft. Und sie tranken ernst und genießerisch.
    »Ach! Donnerwetter! Der hier, der ist nicht aus der Gegend! – Famos!«
    »Noch einen Schluck ... Zum Wohl!«
    »Zum Wohl!«
    Als sie ihre Gläser wieder hinstellten, erschien Frau Charles, eine zweiundsechzigjährige Dame von ehrwürdigem Aussehen, mit schneeweißem in der Mitte gescheiteltem, in breiten Strähnen über die Schläfen gekämmtem Haar, die die schwerfällige Maske mit der großen Nase der Fouans hatte, die aber von rosiger Blässe war, klösterlichen Frieden und Sanftmut atmete, mit der Haut einer alten Nonne, die im Schatten gelebt hatte. Gleich hinter ihr kam ihre Enkeltochter Elodie, die zwei Ferientage in Rognes verbrachte und sich verstört in ihrer linkischen Schüchternheit an sie schmiegte. Sie war von Bleichsucht verzehrt, zu groß für ihre zwölf Jahre, hatte bei ihrer Blutarmut eine weiche und aufgedunsene Häßlichkeit, wenige und farblose Haare; durch ihre Erziehung zu einer unschuldigen Jungfrau war sie übrigens so gehemmt, daß sie dadurch einfältig geworden war.
    »Sieh mal einer an! Ihr seid da?« sagte Frau Charles und drückte die Hände ihres Bruders und ihres Neffen langsam und würdevoll, um den Abstand zu betonen. Und sich umdrehend, sagte sie, ohne sich weiter mit den Männern zu befassen: »Treten Sie ein, treten Sie ein, Herr Patoir ... Das Tier ist hier.«
    Es war der Tierarzt aus Cloyes, ein kleiner dicker, sanguinischer, rötlichblauer Mann mit einem Feldwebelgesicht und starken Schnurrbartenden. Er war soeben in seinem schmutzigen Einspänner im prasselnden Platzregen eingetroffen.
    »Das arme Herzchen«, fuhr sie fort und zog

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