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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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als richtige Magd in die Küche gelangt; dann stellte sie zu ihrer Hilfe eine Göre ein; dann bekam sie, die nun ganz und gar Dame war, ein Dienstmädchen, das sie bediente. Nun hatte sich die kleine Schlampe von einst zu einem tiefbrünetten Mädchen entwickelt, das schlau und hübsch aussah und den festen Busen und die biegsamen und kräftigen Glieder einer Frau hatte, die mager wirkt, ohne es zu sein. Sie legte eine verschwenderische Gefallsucht an den Tag, troff vor Parfüm, obwohl sie dabei einen Bodensatz von Unsauberkeit behielt. Die Leute von Rognes und die Landwirte der Umgebung waren deshalb nicht weniger verwundert über das Abenteuer: war das denn menschenmöglich, daß sich ein reicher Knopp in ein so schwächliches Ding, das nicht schön, nicht üppig war, kurzum in die Cognette vernarrt hatte, in die Tochter von Cognet, von diesem Säufer, den man seit zwanzig Jahren auf den Landstraßen Steine klopfen sah! Ach, ein großartiger Schwiegervater! Eine famose Nutte! Und die Bauern begriffen nicht einmal, daß diese Nutte ihre eigene Rache war, die Rache des Dorfes am Gehöft, die Rache des elenden Arbeiters der Scholle am reich gewordenen Bürger, der es zum Großgrundbesitzer gebracht hatte. Hourdequin, der sich mit seinen fünfzig Jahren im kritischen Alter befand, war ihr verfallen, da seine Sinne gefangen waren und er physisch Jacqueline brauchte, wie man Brot und Wasser braucht. Wenn sie sehr nett sein wollte, umschlang sie ihn mit einer katzenhaften Liebkosung, ohne Bedenken, ohne Ekel überfütterte sie ihn mit Ausschweifungen, wie die Dirnen sie nicht wagen; und für eine dieser Stunden demütigte er sich, flehte er sie an zu bleiben, nach Zankereien, nach furchtbarem Aufbegehren des Willens, bei dem er drohte, sie mit derben Fußtritten rauszuschmeißen. Am Vorabend noch hatte er sie nach einem Auftritt geohrfeigt, den sie ihm gemacht hatte, weil sie in dem Bett schlafen wollte, in dem seine Frau gestorben war; und die ganze Nacht hatte sie sich ihm verwehrt, hatte ihm Klapse versetzt, sobald er näher kam; denn wenn sie sich auch weiterhin an den Knechten gütlich tat, ihn hielt sie knapp, peitschte ihn auf mit Enthaltsamkeit, um ihre Macht zu steigern. So wurde er denn auch an diesem Morgen, in dieser feuchten Stube, in diesem zerwühlten Bett, in dem er sie noch atmete, wieder von Wut und Begierde erfaßt. Seit langem witterte er ihre fortgesetzten Betrügereien. Mit einem Satz stand er auf, er sagte mit lauter Stimme:
    »Ah, du Luder, wenn ich dich schnappe!«
    Rasch zog er sich an und ging hinunter.
    Jacqueline war durch das stumme Haus geflitzt, das kaum von der anbrechenden Morgendämmerung erhellt wurde. Als sie den Hof überquerte, stutzte sie, weil sie den Schäfer erblickte, den alten Soulas, der bereits auf war. Aber ihr Begehren hielt sie so sehr gepackt, daß sie sich darüber hinwegsetzte. Da war eben nichts zu machen. Sie mied den Stall mit den fünfzehn Pferden, in dem vier von den Fuhrknechten des Gehöftes schliefen, ging nach hinten zum Hängeboden, der Jean als Bett diente: eine Schütte Stroh, eine Decke, nicht einmal ein Laken. Und während sie ihn, der ganz verschlafen war, umarmte, ihm mit einem Kuß den Mund verschloß, hauchte sie erschauernd und atemlos mit sehr leiser Stimme:
    »Ich bin's, großer Dummkopf. Hab keine Angst ... Schnell, schnell, beeilen wir uns!«
    Aber er erschrak, nie und nimmer wollte er an dieser Stelle, in seinem Bett, weil er fürchtete, überrascht zu werden. Die Leiter zum Heuboden war dort in der Nähe, sie kletterten hinauf, ließen die Klappe offen, legten sich um im Heu.
    »Oh, großer Dummkopf, großer Dummkopf!« sagte Jacqueline, vor Wonne vergehend, immer wieder mit ihrem kehligen Gurren, das ihr aus dem Schoß emporzusteigen schien.
    Seit fast zwei Jahren war Jean Macquart auf dem Gehöft. Als er aus dem Militärdienst ausschied, war er mit einem Kameraden, einem Tischler wie er, nach BazochesleDoyen geraten, und er hatte bei dessen Vater, einem kleinen Dorftischler, der zwei oder drei Gesellen beschäftigte, wieder zu arbeiten begonnen; aber er spürte, daß er nicht mehr mit Lust und Liebe dabei war, die sieben Jahre Militärdienst hatten ihn ungelenkig gemacht, hatten ihn aus der Bahn gebracht, hatten ihm Säge und Hobel so sehr verekelt, daß er ein anderer Mensch geworden zu sein schien. Einst in Plassans schlug er tüchtig ein aufs Holz; obwohl es ihm nicht leichtfiel, etwas zu lernen, und er gerade nur lesen, schreiben und

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