Die Erfinder des guten Geschmacks
A MUSE- B OUCHE: U NSER D REIERLEI VOM F LAMINGO
Blättern Sie um und genießen Sie die Geschichte der großen Köche. Erleben Sie, wie ein Gassenjunge es zum größten Koch seiner Zeit brachte und sowohl bei Napoleon als auch dem russischen Zaren Festbanketts organisierte. Lesen Sie, wer das Restaurant erfand, woher der Pfirsich Melba stammt, wer mit Maiglöckchenessenz kochte und für welches Omelett sich Pilger ins Meer warfen. Staunen Sie über eine couragierte Frau, die eine Küche aus purem Gold ablehnte, oder wundern Sie sich über den eitlen Starkoch, der sich nur in Rautenmuster gewandete und später eine Suppenküche für die Ärmsten der Armen eröffnete. Trauern Sie um den Koch, der sich ins Schwert warf, weil der Fischlieferant zu spät kam.
Eine Geschichte der Köche ist keine Geschichte des Essens. Wir wissen, was vor Jahrtausenden auf die Tische kam. Doch wer es zubereitete, das wissen wir nicht. Wir wissen, dass bereits Archestratos von Gela im 4. Jahrhundert v. Chr. die Zutaten des östlichen Mittelmeerraums für frische, unverschnörkelte Gerichte auf Basis lokaler Fischsorten nutzte. Archestratos kannte den Weg zu den Hummerbänken, er kannte die richtige Art, in Sikyon Aale zuzubereiten, und wusste, dass die besten Bäcker seiner Zeit aus Phönizien oder Lydien stammten. Ihm ging es darum, das perfekte Stück Fisch zu dem Zeitpunkt zu verzehren, an dem es am besten schmeckte. Und natürlich musste derFisch aus dem Ort stammen, wo der beste seiner Art gefangen wurde. So wie für Generationen von Feinschmeckern die besten Hühner aus der französischen Bresse stammen, kam der beste Oktopus für Archestratos aus Thasos.
Archestratos beschrieb Rezepte, doch ein Koch war der Reisende in Sachen Gourmandise nicht. Unser Wissen über die Köche im antiken Griechenland – ihre Namen, ihr Leben – ist begrenzt. In den griechischen Komödien tobte auf der Bühne ironisch überspitzt die Diskussion, ob Küche denn nun Kunst, Wissenschaft oder Handwerk sei. Der Poet Damoxenos zum Beispiel schildert einen arroganten Koch, der seine Berufskollegen für Ignoranten hält, sich selbst zum Wissenschaftler und Künstler erklärt und dabei die Küche selber meidet:
»Sie [die jungen Köche von heute, Verzeihung, damals] machen aus ganz entgegengesetzten Fischen eine Sauce und reiben Sesam drein. Solche Disharmonie zu durchschauen ist die Sache der geistreichen Kunst und nicht, Töpfe zu waschen und nach Rauch zu stinken. Ich gehe gar nicht mehr in die Küche; ich sitze nur in der Nähe und sehe zu, und während andere arbeiten, erkläre ich ihnen Ursache und Wirkung.«
Wir wissen, dass Platon in der Gorgias Kochen nicht als Kunst, sondern als manuelle Verrichtung sah. Und wir kennen die Festmähler des Feldherrn Lucius Licinius Lucullus (117 v. Chr – 56 v. Chr.), der über eigene Meerwasserbecken verfügte, damit er zu jeder Tageszeit frischen Fisch auftischen konnte. Oft verbanden Kanäle diese Piscinae mit dem Meer. Laut Plutarch kamen bei Lucullus alle Sorten Fleisch und sorgfältig präparierte Gerichte auf den Tisch, in prächtigem Ambiente, untermalt von einem Chor. Als der Feldherr Pompeius erkrankte, rieten ihm seine Ärzte, Drosseln zu essen. Doch seine Diener erklärten, es gäbe keine, außer natürlich bei Lucullus, dersie stopfen ließ. Fast nebenbei soll er die Kirschen in Europa eingeführt haben, als er Bäume aus der pontischen Stadt Giresun in seiner Heimat anpflanzte.
Der Name Marcus Gavius Apicius (25 v. Chr – 37 n. Chr.) steht bis heute für den Heißhunger nach Extravagantem:
Apicius lebte in Kampanien, in Minturnae. Als er von Größe und Geschmack der Krebse an der libyschen Küste hörte, stach er prompt in See und nahm Kurs auf das vermeintliche Krustentierparadies. Bei seiner Ankunft wurde er von Fischerbooten begrüßt. Kritisch betrachtete er die angebotenen Krebse und fragte, ob es noch bessere gäbe. Die Fischer verneinten. Apicius ließ prompt Segel setzen und kehrte nach Hause zurück, natürlich ohne einen Fuß auf das libysche Festland gesetzt zu haben. Libyens Krebse waren für ihn keine Reise wert.
Eines seiner Lieblingsgerichte waren Flamingozungen. Rotbarben waren laut Apicius am besten, wenn sie vor dem Kochen in einer Fischsauce – aus Rotbarben – ertränkt wurden. Letztlich trieb die Feinschmeckerei Apicius in den Tod: Als er bemerkte, dass er gut 100 Millionen Sesterzen für seine kulinarischen Vorlieben ausgegeben hatte und ihm »nur« noch zehn
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