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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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»Luxusgewürze« verfügte, der nutzte dazu Knoblauch oder Bohnenkraut. Jedoch konnten sich Adlige, deren Vermögen zur Füllung von Gewürzspeichern reichte, mit Sicherheit auch frisches Fleisch leisten.
    Das älteste derzeit bekannte Kochbuch des Mittelalters stammt aus der Kathedrale von Durham in Großbritannien. Um das Jahr 1160 wurden die Rezepte in Latein auf dünnem Pergament notiert. Professor Faith Wallis entriss sie 2013 dem Vergessen.
    Der unbekannte Verfasser listet Saucen zu Hammel, Ente und Rind. Eines der Rezepte empfiehlt eine Minzvariantezum Hammelfleisch – ein Vorgänger des britischen Lamms in Mintsauce? Zu Schwein oder Rind wurden gemahlene Senfsamen in Essig gereicht. Dabei gab es Senf, wie wir ihn kennen, damals noch nicht.
    »Winzigkleine Fischchen« wurden mit Koriander, Knoblauch und Pfeffer zubereitet.
    Eines der Rezepte trägt den hübschen Titel »Henne im Winter«. Historiker Dr. Giles Gasper kommentiert es in der offiziellen Pressemitteilung der Universität Durham vom April 2013 mit den Worten: »Wir glauben, dieses Rezept ist eine saisonale Variation, mit Zutaten aus den kälteren Monaten und natürlich der Angabe ›Henne‹ statt ›Huhn‹. Das heißt, es war älteres Geflügel.« Knoblauch, Pfeffer und Salbei brauchte der Koch für die Winterhenne.
    »Die Saucen werden hauptsächlich mit Petersilie, Salbei, Pfeffer, Knoblauch, Senf und Koriander gemacht, was ihnen wohl einen mediterranen Geschmack verleihen wird, wenn wir sie nachkochen«, sagt Gasper. Und: »Laut Text kam eines der Rezepte aus Poitou in Frankreich.« Was zeigt, dass sich kultureller Austausch im Mittelalter auch auf Rezepte erstreckte.
    Wie alle mittelalterlichen Kochbücher liefert auch dieses keine Rezepte mit exakten Maßangaben im heutigen Sinne, sondern eine Art Sammlung von Kochideen für Profis. Doch auf welche Maße hätten sich die Verfasser auch beziehen sollen? Weder verfügten die Verfasser über Uhren, mit denen sie die Garzeit präzise messen konnten, noch gab es Maßeinheiten wie das Kilogramm.
    Welcher Koch die »Henne im Winter« zubereitete, ist unbekannt. Notiert wurden die Rezepte höchstwahrscheinlich von einem Mönch. Wer sonst sollte damals nicht nur des Schreibens, sondern auch der lateinischen Sprache mächtig gewesen sein?
Die 6000-Kalorien-Diät
    Nur logisch ist es hingegen, dass die Kochanleitungen in einer Kirche lagerten. Im Mittelalter wurde die Küche an Adelshöfen und vor allem in Klöstern und Abteien gepflegt. Ab dem 7. Jahrhundert pflanzten zahlreiche Abteien eigene Rebstöcke und widmeten sich der Weinherstellung, etwa im Burgund, wo es seit 640 den berühmten Clos de Bèze gibt. Im Jahr 803 wurde der Stiftskeller St. Peter in Salzburg, die älteste noch existierende Gaststätte Europas, erstmals urkundlich erwähnt.
    Außerdem verfügten die mittelalterlichen Mönche über großen Appetit. Nach Untersuchungen der britischen Archäologin Philippa Patrick, deren Ergebnisse sie unter anderem in einem Vortrag auf dem International Medieval Congress 2004 in Leeds zusammenfasste, nahmen Mönche pro Tag 6000 Kalorien zu sich. An den zahlreichen Fastentagen waren es immerhin noch 4500. Sechs Eier hätte so ein Mönch pro Tag verzehrt, von 11 bis 13 Uhr gab es drei Eier, gekocht oder in Schmalz gebraten, dazu Gemüsebrei mit Bohnen, Lauch, Karotten und andere Zutaten aus dem Klostergarten sowie Schweinekoteletts, Speck und Hammelfleisch, dazu Kapaun, Ente und Gans mit Orangen sowie ein halbes Pfund Brot. Danach Pfirsiche, Erdbeeren und Heidelbeeren mit Eierflan. Begossen wurde das Ganze mit reichlich wässrigem Bier. Drei Stunden später ging es nochmals zu Tisch. Es folgten Hammelfleisch, Haferschleim mit Knoblauch und Zwiebeln, Milch und Feigen, Rehrücken mit Vogelbeeren, Schlehen, Haselnüsse und Apfel, dazu geschmorte Aale, Heringe, Hecht, Neunaugen, Lachs, Kabeljau und Forelle, begleitet vom obligatorischen Brot, das auch hier in der Suppe landete. Bier oder Wein aus Spanien, Frankreich oder Portugal rundeten das Mahl um 18 Uhr ab – um am nächsten Tag erneut zu beginnen.
    Patrick glaubt, dass diese Völlerei nicht auf die von ihr untersuchten 300 Skelette von Mönchen begrenzt war, sie sieht die Völlerei der Klosterbrüder als europaweites Phänomen und verweist auf das portugiesische Kloster von Alcobaça. Eine schmale Tür hätte dort allzu füllige Gottesmänner vom Zugang zu den Süßspeisen abgehalten. Die nämlich lockten in einem separaten Raum.
    »Schmalere

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