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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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Millionen Sesterzen zum Leben blieben, vergiftete er sich. Offensichtlich empfand er ein Millionärsleben mit geringfügig bescheidenerem Essen als nicht lebenswert.
    Zum Vergleich: Das verbliebene Vermögen hätte für den Erwerb von etwa 4000 Sklaven ausgereicht, es hätte auch 130 römische Normalbürger nach damaligen Preisen je 100 Jahre ernähren können.
    Der Nachwelt hinterließ Apicius angeblich das erste Kochbuch mit Namen De re coquinaria , wovon lediglich zwei karolingische Handschriften des 9. Jahrhunderts erhalten sind. Eine stammt aus einem Kloster in Fulda und wurde 1929 von derNew York Academy of Medicine erworben. Das zweite Exemplar befindet sich in der Bibliothek des Vatikans.
    Ob Apicius wirklich selbst zur Feder griff, weiß niemand. Vielleicht wurden die Rezepte auch zu Ehren des römischen Feinschmeckers zusammengestellt. Aber was heißt überhaupt Rezepte? Nach unserem heutigen Verständnis sind es eher Kochideen. De re coquinaria liest sich wie ein halbwegs alltagstaugliches Kochbuch, auch wenn der Autor auf gefüllte Haselmäuse und das folgende Flamingorezept nicht verzichten wollte.
    F LAMINGOREZEPT AUS D E RE COQUINARIA :
Enthäute den Flamingo, wasche […] ihn und verschließe ihn in einem Topf, gib Wasser, Salz, Dill und ein wenig Essig dazu. Wenn er halb gar ist, binde ein Bündelchen Lauch und Koriander zusammen, um es damit zu kochen. Wenn er fast gar ist, gib Defrutum dazu und färbe ihn. Gib in einen Mörser Pfeffer, Kümmel, Koriander, Laserwurzel, Minze und Raute und zermahle es, gieße Essig hinzu, gib Datteln hinein und gieße vom eigenen Saft darüber. Schütte es in denselben Topf, binde mit Stärkemehl, gieße die Sauce darüber und serviere. Das Gleiche mache auch mit Papagei.
Anders: Grille den Vogel und zerstoße Pfeffer, Liebstöckel, Selleriesamen, gerösteten Sesam, Petersilie, Minze, getrocknete Zwiebel und Datteln. Schmecke mit Honig, Wein, Liquamen, Essig, Öl und Defrutum ab.
    Liquamen oder Garum war die römische »Universalwürze«. Für sie wurden Sardellen, Thunfisch, Aal und Makrelen samt Eingeweiden mit Salzlake vermischt, der Mix vergor anschließend in der Sonne. Geschmacklich ähnelte es wahrscheinlich dem vietnamesischen Nuoc Mam. So beliebt die Sauce war, so unbeliebt war ihre Herstellung. Garum-Fabrikanten arbeiteten meist außerhalb der Städte, da die Fisch-Fermentation nur sehr geruchsintensiv betrieben werden konnte.
    Defrutum hingegen war eingedickter Traubensaft, der unter starker Hitze in einem Bleigefäß auf die Hälfte oder um zwei Drittel reduziert wurde. Er diente zum Beispiel als Honigersatz. Durch diese Art der Zubereitung gelangte eine erhebliche Menge Blei in den beliebten Most. Mit Defrutum süßte man auch Weine. Untersuchungen zum Bleigehalt haben ergeben, dass damalige Aristokraten sich tatsächlich mit dem konzentrierten Most vergiften konnten. Kurioserweise standen die Römer selbst dem behandelten Wein skeptisch gegenüber. Plinius der Ältere (23 n. Chr. – 79 n. Chr.) beschwerte sich, dass viele Gifte eingesetzt würden, um Wein dem Geschmack der Trinker anzupassen. Je günstiger der Wein, desto freier sei er von Unreinheiten.
    All diese Details sind bekannt und dokumentiert. Doch wer bei Lucullus die Gerichte »sorgfältig präparierte« und die Drosseln zubereitete, wer für Apicius die Rotbarben in Barbensaucen ertränkte und die Flamingos häutete, das wissen wir nicht. Es waren Küchensklaven, und mit ziemlicher Sicherheit die besten Küchensklaven, die man für viele, viele Sesterzen erwerben konnte. Köche waren Hauspersonal, Sklaven, Diener. Weite Teile der Geschichte der Köche zeigen, dass die Mitglieder dieses Berufsstands stets besonders hart um den sozialen Aufstieg kämpften. Viele Köche haben uns seit dem Mittelalter Bücher mit ihren Rezepten und ihrem Wissen hinterlassen. »Werschreibt, der bleibt« sagt eine Redensart. Hier trifft sie zu, denn die Geschichte der Köche wird fast ausschließlich von Kochbuchautoren geprägt. Vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert kennen wir die Namen einiger Köche, die an Fürsten- und Königshöfen arbeiteten. Ihre Bücher und Rezepte sind teilweise erhalten, ab und an ist ein biografisches Detail überliefert. Erst als – schreibende – Profiköche nicht mehr ausschließlich in den Privatküchen des Adels wirkten, traten die Köche in die Öffentlichkeit. Fortan gab es nicht nur Rezepte, sondern regelrechte Biografien.
    Viele davon gleichen mittelalterlichen

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