Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman
wortlos zum Telefon griff und die Auskunft anrief.
»Welche Stadt?«
»Chicago.«
»Nachname?«
»Mutzenbacher. M U T Z E N B A C H E R.«
»Einen Moment.«
Eine Computerstimme sagte die Nummer an, und Colin drückte die 1, um direkt verbunden zu werden. Nach dem dritten Klingeln nahm jemand den Hörer ab.
»Hallo«, sagte eine Mädchenstimme.
»Hi. Hier ist Colin Singleton. Ist … äh, ist Katherine da?«
»Am Apparat. Wie war noch mal der Name?«
»Colin Singleton.«
»Kommt mir bekannt vor«, sagte sie. »Kennen wir uns?«
»Kann sein, dass wir in der vierten Klasse im Sommercamp für begabte Kinder zwei Wochen miteinander gegangen sind.«
»Colin Singleton! Na klar. Wow. Ausgerechnet …«
»Also, das klingt jetzt vielleicht komisch, aber auf einer Skala von eins bis fünf, wie beliebt warst du in der vierten Klasse?«
»Wie bitte?«
»Und hast du einen Bruder, der bei Buchstabierwettbewerben mitgemacht hat?«
»Hm, ja, habe ich. Wer ist denn da?« Sie klang ängstlich.
»Ich bin’s wirklich, Colin Singleton, ich schwöre. Ich weiß, dass das eine komische Frage ist.«
»Hm, ich weiß nicht. Ich hatte Freunde. Es waren vielleicht nicht die allercoolsten, aber ich hatte Freunde.«
»Schön. Danke, Katherine.«
»Schreibst du ein Buch oder so was?«
»Nein, ich stelle eine mathematische Formel auf, die voraussagt, wer von zwei Leuten die Beziehung beendet und wann«, erklärte er.
»Aha«, antwortete sie. »Wo bist du überhaupt? Was ist aus dir geworden?«
»Das würde ich auch gern wissen«, sagte er und legte auf.
»Toll«, sagte Hassan. »Mann. Sie muss denken, dass du völlig durchgeknallt bist!«
Aber Colin war schon wieder in Gedanken versunken. Falls Katherine III. die war, die sie zu sein behauptete und an die er sich erinnerte – was wäre wenn. Was wäre, wenn die Formel richtig war? Er rief noch einmal an.
»Katherine Mutzenbacher«, sagte er.
»Ja?«
»Hier ist noch mal Colin Singleton.«
»Oh, hallo.«
»Das ist jetzt die letzte Frage, die ich dir stelle, die vollkommen verrückt klingt, aber kann es sein, dass zufällig ich es war, der damals in der vierten Klasse Schluss gemacht hat?«
»Ja.«
»Wirklich?«
»Ja. Wir saßen ums Lagerfeuer und haben gesungen, und dann bist du vor allen Leuten zu mir rübergekommen und hast gesagt, das hättest du noch nie gemacht, aber du müsstest mit mir Schluss machen, weil du einfach nicht glaubtest, dass auf lange Sicht was aus uns werden würde. Genau das hast du gesagt. Auf lange Sicht. Mann, ich war völlig fertig. Wo du doch der Allergrößte für mich warst.«
»Das tut mir wirklich leid. Tut mir leid, dass ich mit dir Schluss gemacht habe«, sagte Colin.
Sie lachte. »Na ja, wir waren zehn. Ich bin drüber weg.«
»Trotzdem. Tut mir leid, dass ich deine Gefühle verletzt habe.«
»Danke, Colin Singleton.«
»Bitte.«
»Sonst noch was?«, fragte sie.
»Ich glaube, das war’s.«
»Okay, na dann, alles Gute«, sagte sie auf die Art, wie man mit einem schizophrenen Obdachlosen redet, dem man gerade einen Dollar gegeben hat.
»Dir auch, Katherine Mutzenbacher.«
Hassan starrte Colin mit großen Augen an. »Ich fress ’nen Besen. Ich springe im Ballettkleid im Karree. Colin Singleton, du bist ein beschippter Sitzenlasser.«
Colin lehnte sich auf dem morschen Baum zurück, bis er den wolkigen Himmel über sich sah. Sein hochgepriesenes Gedächtnis hatte ihn getrogen. Anscheinend war doch was dran an »ab achtzehn in Eremiten-Kur«. Wie konnte er sich so gut an alle Einzelheiten erinnern, aber nicht an die Tatsache, dass er sie sitzen gelassen hatte? Und wo er gerade dabei war, was für ein Fiesling war er gewesen, ein absolut reizendes Mädchen wie Katherine Mutzenbacher sitzen zu lassen? »Ich habe immer gedacht, zwei Dinge wären sicher«, sagte er leise. »Ich bin ein Wunderkind, und ich werde von Katherines sitzen gelassen. Aber jetzt –«
»Jetzt gilt keins von beiden mehr«, sagte Hassan. »Sei froh, Mann. Du bist ein Sitzenlasser, und ich habe mich mit einem geradezu lächerlich scharfen Weib eingelassen. Die Welt steht Kopf. Und ich finde es spitze. Es ist, als würden wir alle in einer Schneekugel leben, und der liebe Gott hat plötzlich beschlossen, dass er Lust auf ein Schneegestöber hat, und uns alle kräftig durchgeschüttelt.«
Genau wie Lindsey, die fast keinen wahren Satz über sich selbst sagen konnte, musste Colin mit ansehen, wie alle Wahrheiten in Bezug auf ihn selbst, alle ich
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