Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman
habe, neben dem Grab eines österreichisch-ungarischen Erzherzogs nackig auf dem anderen Colin reitet wie auf einem Lipizzaner. Das«, erklärte er nachdrücklich, »ist schon sehr komisch.«
»Warte mal. Der andere Colin?« Colin drehte sich wieder zum Obelisk des Erzherzogs und sah – heilige Scheibe – DAC höchstpersönlich, wie er gerade in seine Tarnhosen schlüpfte. »Dieses … verdammte … Arschloch.« Aus Gründen, die er selbst nicht verstand, packte Colin eine jähe Wut, und er rannte auf den Friedhof zu. Erst als er die kniehohe Mauer erreichte, blieb er stehen und blickte DAC in die Augen. Dann wusste er nicht weiter.
»Ist mein Dad bei euch?«, fragte DAC kühl. Colin schüttelte den Kopf, und DAC seufzte. »Gott sei Dank«, sagte er. »Der hätte mir was erzählt. Setz dich.« Colin stieg über die Mauer und setzte sich. Katrina, die sich ebenfalls angezogen hatte, lehnte am Obelisk und rauchte mit zitternden Händen eine Zigarette. DAC fing zu reden an. »Ihr sagt kein Wort. Weil, das hier geht euch nichts an. Dein kleiner Araberfreund kann sich mit Katrina aussprechen, schön, aber die beiden werden es für sich behalten. Ich glaube nicht, dass du willst, dass Lindsey was davon erfährt.«
Colin blickte starr auf den Obelisk des Erzherzogs. Er war müde und hatte Durst und musste pinkeln. »Ich glaube, ich muss es ihr sagen«, sagte er nachdenklich. »Wir sind Freunde. Ich an ihrer Stelle würde erwarten, dass sie es mir sagt. Die goldene Regel. Ethik für Anfänger.«
DAC stand auf und kam auf Colin zu. Er hatte einen eindrucksvollen Körperbau. »Jetzt erklär ich euch beiden mal, warum ihr die Klappe haltet.« Erst da bemerkte Colin, dass Hassan hinter ihm stand. »Wenn ihr es nicht tut, werd ich euch dermaßen verprügeln, dass ihr die ersten Menschen seid, die hinkend durch die Hölle laufen.«
Hassan murmelte: » Sajill .« 77 Unauffällig griff Colin in die Hosentasche, fummelte an dem Rekorder herum und ließ die Hand in der Tasche, um keinen Verdacht zu erregen. »Ich will nur wissen, seit wann das schon geht«, sagte Hassan zu Katrina.
Katrina drückte ihre Zigarette am Obelisk aus, stand auf und stellte sich neben DAC. »Schon lange«, sagte sie. »Ich meine, in der elften Klasse sind wir miteinander gegangen, und seitdem passiert es eben ab und zu. Aber als wir heute hier rausgekommen sind, wollte ich Schluss machen. Ehrlich. Und es tut mir leid, denn ich mag dich wirklich. Seit Colin hatte ich niemand mehr so gern«, sagte sie, dann sah sie DAC an, »und ich hätte es heute auch nicht getan, aber dann, ich weiß auch nicht. Es war eine Art Abschied. Tut mir ehrlich leid.«
Hassan nickte. »Wir können Freunde bleiben.« Es war das erste Mal, dass Colin diese Worte hörte und sie ernst gemeint waren. »Nicht so schlimm, ehrlich. Ich meine«, sagte er dann mit einem Blick zu DAC, » wir haben uns schließlich nicht versprochen, nicht mit anderen rumzumachen.«
DAC knurrte: »Sie hat gesagt, dass Schluss ist, okay? Das war’s. Ich betrüge niemanden.«
»Nun ja«, wandte Colin ein, »vor fünf Minuten hast du noch jemanden betrogen. Eine ziemlich schmale Definition von Betrug.«
»Halt die Klappe, bevor ich dir die Fresse poliere«, sagte Colin drohend. Colin blickte hinunter auf seine matschigen Schuhe. »Hör zu«, sagte DAC dann, »gleich kommen alle aus Bradford hier rüber. Und dann setzen wir uns zusammen wie eine große glückliche Familie, und du machst deine behinderten Witze, ziehst den Schwanz ein und benimmst dich genauso wie immer – wie das beschissene Weichei, das du bist. Und das Gleiche gilt für dich, Hassan.«
Während des langen Schweigens, das folgte, dachte Colin: Würde er es wirklich wissen wollen? Wenn er noch mit Katherine XIX. zusammen wäre und sie ihn betrog und Lindsey davon wüsste und wenn Lindsey ihre Gesundheit aufs Spiel setzen müsste, um ihm die Information zukommen zu lassen. Nein, in diesem Fall würde er es nicht wissen wollen. Vielleicht lautete die goldene Regel dann, dass er den Mund halten sollte. Die goldene Regel war schließlich die einzige Regel, die Colin hatte. Wegen der goldenen Regel konnte er sich die Sache mit Katherine III. nicht verzeihen: Bisher hatte er geglaubt, dass die Katherines ihm etwas antaten, das er ihnen nie antun würde.
Doch es gab noch mehr zu bedenken als die goldene Regel: Da war die Kleinigkeit, dass er Lindsey mochte. Eigentlich sollten persönliche Gefühle bei ethischen Fragen keine Rolle spielen.
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