Die erste Todsuende
nicht doch einen Schnurrbart stehenlassen sollte, kam jedoch abermals zu dem Entschluß, es lieber bleibenzulassen. Ein Bart würde ihn, das spürte er, nur älter machen, obwohl ein nach unten gezogener Fu-Manchu-Schnurrbart zusammen mit seinem unbehaarten Kopf interessant wirken müßte. Aufregend?
Sein Gesicht war schmal geschnitten und elegant, die kleinen Ohren lagen eng an. Sein Kinn wirkte leicht aggressiv, die Lippen wie gemeißelt und durchblutet. Seine lange Nase war vielleicht etwas spitz und wies elliptische Nasenlöcher auf. Das Schönste an ihm waren jedoch seine Augen: groß, weit auseinander stehend und mit brauner Iris. Die Brauen waren dicht und klar konturiert.
Seltsamerweise sah er en face älter aus als im Profil. Von vorn wirkte er düster und nachdenklich. Im Profil hingegen kam plötzlich Leben in sein Gesicht: der Ausdruck jugendlicher Erwartungsfreude.
Er rasierte sich zu Ende, trug After-Shave-Lotion auf, sprühte sich ein duftendes Antitranspirant in die Achselhöhlen. Dann kehrte er ins Schlafzimmer zurück und überlegte, was er anziehen sollte.
Die Mortons mit ihrem „...Haufen phantastischer Leute..." hatten gewiß eine kunterbunte Schar aus ihrem verrückten Freundeskreis eingeladen: bildende Künstler und Designer, Schauspieler und Schriftsteller, Tänzer und Regisseure und außerdem - zwecks würdiger Abrundung gewissermaßen - eine Prise von Süchtigen, Huren und Revoluzzern. Und am Sonntagvormittag waren die gewiß samt und sonders höchst leger gekleidet. Oder sagenhaft aufgetakelt.
Er setzte seine konservative „Ivy League"-Perücke auf und zog dazu graue Flanellhosen, leichte Schuhe von Gucci und einen weißen Kaschmir-Rollkragenpullover an sowie eine rötlichbraune Wildlederjacke. In die Brusttasche steckte er ein gelbgemustertes Foulardtüchlein.
In der Küche goß er sich eine kleine Kanne Kaffee auf, trank zwei Tassen schwarz und blätterte am Küchentisch in der Sonntagsbeilage der Times. Die Anzeigen darin bewiesen, daß die augenblickliche Herrenmode phantasievoller, farbenfroher und aufregender war als die Damenmode.
Punkt halb zwölf schloß er seine Wohnungstür hinter sich ab und fuhr mit dem Aufzug zum Penthouse-Apartment der Mortons im vierunddreißigsten Stock hinauf. Er klingelte und erwartete, daß ihm von Blanche, dem ständigen Dienstmädchen, aufgemacht werde oder auch von dem Butler, den man zu dieser Gelegenheit engagiert haben mochte.
Doch es war Samuel Morton persönlich, der ihm die Tür öffnete, rasch zu ihm auf den Korridor hinaustrat und die Tür hinter sich zuzog, ohne sie indes ins Schloß fallen zu lassen.
Sam war ein vitaler, in ein schwarzes Lederhemd und mit Nieten besetzte Jeans gekleideter, fast zwergenhafter Mann. Er glitzerte, wenn er sich bewegte, und seine lustig funkelnden Augen wirkten gleichfalls wie Nieten. Er legte Daniel Blank die Hand auf den Arm.
„Dan", bat er, „bitte, sei nicht sauer."
Theatralisch stöhnte Blank auf. „Sam, doch nicht etwa schon wieder? Nach dem Reinfall mit der Goldschmiedin hast du's mir doch hoch und heilig versprochen! Um wen geht's denn jetzt wieder?"
Morton trat näher, senkte die Stimme...
„Du wirst es nicht glauben. Ein Original! Ich schwöre es bei Gott..." Damit hielt er die rechte Hand in die Höhe. „... ein echtes Original. Sie trägt einen Zobel, bis auf den Boden! Es ist pudelwarm draußen, und da trägt sie einen knöchellangen Zobelmantel. Zobel, hörst du? Nicht etwa Nerz, Dan, Zobel! Und auf'ne spinnerte Art ist sie wunderschön. Und hat diesen Jungen von elf oder zwölf bei sich. Der das Bild von einem Jungen ist! Der schönste Knabe, den ich je gesehen hab - und du weißt, daß ich nicht auf Jungen stehe! Sie ist unverheiratet. Der Junge ist ihr Bruder. Na, wie dem auch sei, Flo bewundert ihren Mantel, und da stellt sich raus, daß sie ihn in Rußland gekauft hat. In Rußland! Und wohnen tut sie in der East End Avenue. Hast du da noch Töne? In der East End Avenue! Ein Stadthaus! Sieh sie dir doch wenigstens mal an; So was von Frau hast du noch nicht gesehen, Dan, du mußt sie einfach kennenlernen! Selbst wenn nichts dabei herauskommt -obwohl Flo und ich natürlich hoffen -, doch selbst wenn nichts dabei herauskommt, glaub mir, das wird bestimmt ein Erlebnis für dich! Hier hast du den neuen Menschen! Du wirst sehen!,Du wirst sehen! Sie heißt übrigens Celia Montfort. Ich heiß Sam und sie Celia - das spricht doch Bände, oder?"
Die Wohnung der Mortons war ein
Weitere Kostenlose Bücher