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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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und schossen in die Dunkelheit zurück.
    Er liebte die Geschwindigkeit, nicht so sehr des sinnlichen Machtrausches als vielmehr des Gefühls einsamer Losgelöstheit wegen.
    Es war Samstagabend: Auf der Schnellstraße herrschte dichter Verkehr in Richtung Stadt. Jetzt fuhr er mit brutaler Rücksichtslosigkeit, wechselte oft die Fahrspur, saß weit vorgebeugt über seinem Steuerrad und hielt nach Lücken zwischen den Autos Ausschau, durch die er vorpreschen konnte, nach plötzlichen Unterbrechungen des Verkehrsstroms, die es ihm erlaubten, haarscharf an vorsichtigeren Fahrern vorüberzubrausen.
    Er kam über die Brücke, sah die grellen Lichter von Manhattan. Verkehrsampeln, Lastwagen und Busse zwangen ihn, langsamer zu fahren. Er bog nach Süden in die 96th Street ein - seine Stadt schloß sich um ihn.
    Eine Stadt, gespannt wie eine Feder und lauernd. Sie pulsierte in einem verstümmelten Rhythmus und feierte den Tod mit mitleidsloser Schadenfreude. Dreck schwärte wie Pusteln in Straßen, die wahre Alpträume waren. Die Luft roch nach Asche. In den Schulen schossen sich Kinder geübt Heroin in die Venen.
    Das Hochhaus, in dem Daniel Blank wohnte, war ein brutales, aus Glas und emailliertem Stahl errichtetes Gebäude, vierunddreißig Stockwerke hoch, und nahm einen ganzen Block der East 83rd Street ein. Es war U-förmig angelegt; die asphaltierte Zufahrt endete unter einem Vordach aus rostfreiem Stahl, das die Bewohner, die aus ihren Autos stiegen, vor Regen schützte. Die Stufen, die zum Eingang hinaufführten, waren mit einem grünen Läufer belegt.
    Hinter der Glastür saß zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Pförtner. Hinter ihm erstreckte sich die geräumige Halle mit Sesseln und Sofas aus Chrom und schwarzem Plastik. An den Wänden hingen abstrakte Gemälde, und in der Mitte stand eine schwere, ungegenständliche, „Geburt" betitelte Bronzeplastik.
    Daniel Blank fuhr in die zum Haus gehörende Tiefgarage, übergab die Corvette dem diensthabenden Garagenwächter, holte den Rucksack und Sportkleidung heraus, fuhr mit dem Fahrstuhl zur Eingangshalle hinauf und ging dort zu dem Tisch, auf dem die Post der Bewohner verteilt, Lieferungen entgegengenommen und Nachrichten hinterlegt wurden.
    Es war fast zehn Uhr abends; hinter dem Posttisch hatte niemand Dienst, doch kam der Pförtner herbei. Blanks Postfach war leer bis auf einen einmal zusammengefalteten Zettel, auf dem stand: „Spätes, ausgiebiges Frühstück Sonntag (morgen also) um 11 Uhr 30. Versetz uns nicht! Komm früh! Ein Haufen phantastischer Leute. Gruß und Kuß - Flo und Sam." Er las die Nachricht und steckte den Zettel in die Brusttasche seines Hemds.
    Der Pförtner, der Daniel weder angesprochen noch angesehen hatte, trollte sich. Er hieß Charles Lipsky und war vor gut einem Jahr mit Blank in einen Zwischenfall verwickelt worden.
    Daniel wartete damals unter dem Vordach auf ein Taxi, mit dem er ins Büro fahren wollte. Zur Fahrt ins Büro benutzte er selten seinen Wagen, denn in der Gegend 9th Avenue und 46th Street gab es so gut wie keine Parkmöglichkeiten. Der Pförtner schaffte das Taxi herbei, öffnete den Wagenschlag für Blank und hielt die Hand für das übliche Trinkgeld von fünfundzwanzig Cent auf.
    Als Daniel im Begriff stand, ihm die Münze zuzustecken, kam ein Hausbewohner die Stufen zum Eingang herauf und zerrte an einer langen Leine einen jungen Schäferhund hinter sich her.
    „Bei Fuß!" rief der Mann. „Bei Fuß!"
    Doch der junge Hund legte sich, die Schnauze zwischen den Vorderpfoten, auf die Zufahrt und wollte nicht von der Stelle.
    „Bei Fuß, du Köter!" kreischte der Mann und schlug dem Hund die zusammengelegte Zeitung, die er unterm Arm hatte, zweimal auf den Kopf. Der Hund versuchte den Schlägen auszuweichen, ohne aber aufzustehen, woraufhin der Mann ihn heftig mit dem Fuß zwischen die Rippen trat.
    Daniel Blank und Charles Lipsky sahen dies alles mit an. Blank sprang vor. Den Anblick eines mißhandelten Tieres konnte er nicht ertragen; schon der Gedanke an ein Pferd, das einen schweren Wagen zog, war ihm unerträglich.
    „Hören Sie auf!" rief er wütend.
    Empört wandte der Hundebesitzer sich ihm zu und schrie: „Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Dreck!"
    Dann versetzte er Daniel mit der zusammengelegten Zeitung einen Schlag, woraufhin Blank ihm erbost einen Stoß versetzte. Der Mann wankte, verhedderte sich in der Hundeleine, stolperte vom Gehsteig auf die Fahrbahn und fiel so unglücklich, daß er den linken Arm

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