Die Mutter
Brett McBean
DIE
MUTTER
Aus dem Englischen von Doris Hummel
FESTA
Die australische Originalausgabe The Mother erschien 2006 (in gekürzter Fassung) im Verlag Lothian Books. Copyright © 2006 by Brett McBean
© dieser Ausgabe 2010 by Festa Verlag, Leipzig Titelbild: iStockphoto.com Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-86552-093-7
scanned by cully
Für alle, die jemanden geliebt und verloren haben.
Besonderen Dank an: Alan Clark; Tod Clark; Kelli Dunlap; Paul Goblirsch; Leigh Haig; Mandy Hartley; Sue Harvey; Robert Hood; Wendy Howarth; Zach McCain; Teresa Pitt; Mum und Dad (thanks Mum!); Michelle.
Eine Fahrt auf dem Hume Highway war eine langweilige Angelegenheit. Sicher, wenn man nach Sydney unterwegs war, wurde die Landschaft ab Albury schöner und die Straße und das Umland rustikaler und ungezähmter, einfach wilder. Hier stellten die rollenden grünen Hügel eine willkommene Abwechslung zur Monotonie des endlosen Farmlandes dar, das den Streckenabschnitt in Victoria dominierte. Trotzdem zog sich die Straße auf den meisten der 886 Kilometer zwischen Melbourne und Sydney völlig flach und gerade dahin, und die Szenerie bot nichts Aufregenderes als Kühe, Rastplätze, überfahrene Tiere und Fastfood-Läden, sodass es kein Wunder war, dass sich dort so viele Unfälle ereigneten. Diese Unfälle passierten jedoch nicht nur aufgrund von überhöhter Geschwindigkeit oder Übermüdung, wie die Straßenschilder übergroß verkündeten - oft war Langeweile die Ursache. Es gab aber kein Schild, auf dem stand: »Gelangweilt? Dann nehmen Sie nächstes Mal den Flieger!«
Er wünschte sich allmählich, er hätte den Flieger genommen, aber er war noch nie den gesamten M31 von Melbourne bis nach Sydney gefahren, nur hin und wieder einzelne Strecken. Er hatte geglaubt, es würde ihm Spaß machen - er fuhr gerne Auto, es war Sommer und er hatte zwei Wochen Urlaub und sich extra ein paar Mix-CDs gebrannt, die ihm auf der langen Reise Gesellschaft leisten sollten. Er schüttelte den Kopf.
Spaß würde er das nicht unbedingt nennen. Stumpfsinnig, anstrengend oder qualvoll ermüdend schon eher - und er hatte noch vier Stunden vor sich, bevor er das Ziel erreichte. Er wünschte sich ein bisschen Aufregung oder irgendetwas, das ihn von diesem endlosen Asphaltstreifen ablenkte. Dann, gerade als James Brown ausklang und Marvin Gaye begann, erregte ein Licht, das neben dem Highway schimmerte, seine Aufmerksamkeit.
Die Nachmittagssonne brannte wie Feuer und da war es nicht ungewöhnlich, dass ihre Strahlen von einer Glasscherbe oder
einem von glitzernden Mineralien durchzogenen Stein reflektiert wurden. Aber er war so gelangweilt, dass seine Fantasie verzweifelt nach jedem Strohhalm griff. Er wurde langsamer und lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen. Er schob den Ganghebel auf >Parken<, schaltete den CD-Player mitten in »What's Going On?« aus, ließ Motor und Klimaanlage laufen und dachte: Was zur Hölle mach' ich hier? Ich bin doch keine zwölf mehr. Da liegt mit Sicherheit kein Piratenschatz. Er könnte sich allerdings durchaus mal die Beine vertreten - ein guter, erwachsener Grund, um anzuhalten und auszusteigen also sprang er aus dem Auto und schlenderte den Seitenstreifen entlang.
Während er schlenderte, suchte er den Asphalt und das Gebüsch am Straßenrand beiläufig nach dem, was das Sonnenlicht reflektiert hatte, ab. Als er die Halskette am Rand des Asphalts liegen sah, blieb er stehen. Das muss es sein, dachte er.
Er ging in die Hocke, nahm seine Sonnenbrille ab und hob die Kette auf. Sie war vielleicht nicht unbedingt ein Schatz, sah aber nach Gold aus; der Anhänger war ein Kreuz, ganz schlicht und ohne Verzierungen.
Wer verliert denn so eine Kette?, fragte er sich. So etwas wirft man ja nicht weg wie eine leere Trinkflasche. Vielleicht hatte sie auch gar niemand verloren. Vielleicht hatte ihr Eigentümer sie einfach weggeworfen, weil er keine Verwendung mehr für sie hatte. Oder vielleicht gab es auch einen noch viel finstereren Grund.
Er ließ die Kette durch seine Hand gleiten und erkannte dunkelrote Flecken darauf. Er
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