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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Ideen.«
    »Es hat mich sehr beunruhigt, Monsieur Poirot. Mit so strengen Grundsätzen erzogen wie ich, ist es höchst beunruhigend, dass mir so verbrecherische – so wirklich schlechte – Gedanken kommen. Es liegt, glaube ich, zum Teil daran, dass ich jetzt so viel freie Zeit habe. Ich habe meine Stellung bei Lady Hoggin aufgegeben und bin bei einer alten Dame, um ihr vorzulesen und ihre Korrespondenz zu erledigen. Die Briefe sind bald geschrieben, und kaum beginne ich ihr vorzulesen, schläft sie ein, und ich sitze müßig da – und bekanntlich ist Müßiggang aller Laster Anfang.«
    »Papperlapapp«, sagte Poirot.
    »Ich habe jüngst ein Buch gelesen – ein sehr modernes Buch, aus dem Deutschen übersetzt. Es behandelt die Frage der verbrecherischen Neigungen auf höchst interessante Weise. Man muss, wenn ich die Sache recht verstehe, seine Impulse sublimieren! Das ist der eigentliche Grund, der mich zu Ihnen führt.«
    »Ja?«, ermunterte sie Poirot.
    »Sehen Sie, Monsieur Poirot, ich glaube, es ist im Grunde nicht so sehr Schlechtigkeit als der Hang nach Sensationen! Mein Leben war leider immer sehr eintönig. Ich glaube zuweilen, dass die – hm – Unternehmung mit den Pekinesen die einzige Zeit meines Lebens war, in der ich wirklich gelebt habe. Gewiss sehr tadelnswert, aber wie es in meinem Buch heißt, muss man der Wahrheit ins Gesicht sehen. Ich komme zu Ihnen, Monsieur Poirot, weil ich gehofft habe, dass es vielleicht möglich wäre, diesen Drang nach Sensationen zu sublimieren, indem man ihn, wenn ich so sagen darf, für die gute Sache verwendet.«
    »Aha«, murmelte Poirot. »Sie stellen sich somit als Kollegin vor?«
    Miss Carnaby errötete.
    »Ich weiß, dass es sehr anmaßend von mir ist. Aber Sie waren so gütig – «
    Sie hielt inne. Ihre welken blauen Augen hatten etwas vom bittenden Blick eines Hundes, der gegen jede Wahrscheinlichkeit hofft, dass man mit ihm spazieren gehen wird.
    »Es ist keine schlechte Idee«, meinte Poirot bedächtig.
    »Ich bin natürlich keineswegs klug«, erklärte Miss Carnaby, »aber ich kann mich gut verstellen. Das ist in meinem Beruf eine Notwendigkeit, sonst wird man als Gesellschafterin augenblicklich entlassen. Und ich habe immer gefunden, sich noch dümmer zu stellen, als man ohnehin ist, zeitigt gelegentlich gute Resultate.«
    Hercule Poirot lachte. »Mademoiselle, Sie begeistern mich.«
    »O du liebe Zeit, was für ein guter Mensch Sie sind, Monsieur Poirot! Also darf ich hoffen. Es ergibt sich, dass ich eben eine kleine Erbschaft gemacht habe – eine sehr kleine, aber sie ermöglicht es meiner Schwester und mir, bescheiden zu leben, sodass ich nicht unbedingt auf meinen Verdienst angewiesen bin.«
    »Ich muss überlegen«, murmelte Poirot, »wo man Ihre Talente am besten einsetzen könnte. Sie haben selbst keine Idee?«
    »Ich glaube wirklich, Monsieur Poirot, dass Sie ein Gedankenleser sind. Ich war tatsächlich in letzter Zeit wegen einer Freundin sehr besorgt. Natürlich können Sie sagen, dass es die Hirngespinste einer alten Jungfer sind – pure Einbildung. Man ist vielleicht geneigt zu übertreiben und eine Absicht zu sehen, wo nur der Zufall am Werk ist.«
    »Ich glaube nicht, dass Sie zu Übertreibungen neigen, Miss Carnaby. Sagen Sie mir, was Sie bedrückt.«
    »Also, ich habe eine Freundin, eine sehr teure, liebe Freundin, obwohl ich sie in den letzten Jahren nicht viel gesehen habe. Sie heißt Emmeline Clegg. Sie heiratete einen Industriellen aus dem Norden Englands. Er starb vor ein paar Jahren und hat sie in sehr guten Verhältnissen zurückgelassen. Sie war nach seinem Tode sehr unglücklich und einsam, und ich fürchte, sie ist in gewisser Beziehung nicht klug und vielleicht auch leichtgläubig. Die Religion, Monsieur Poirot, kann eine große Hilfe sein – aber damit meine ich den rechtmäßigen orthodoxen Glauben.«
    »Sie meinen die griechische Kirche?«, warf Poirot ein. Miss Carnaby machte ein entsetztes Gesicht.
    »O, keineswegs; ich meine die anglikanische Kirche. Und obwohl ich die römisch-katholische Kirche nicht billige, so ist sie doch wenigstens anerkannt. Und die Wesleyaner und Kongregationalisten sind alles bekannte Körperschaften. Ich spreche von den sonderbaren Sekten, die jetzt überall aus dem Boden schießen. Sie wirken auf das Gemüt, aber ich bezweifle sehr, dass ein wahres religiöses Gefühl in ihnen steckt.«
    »Und Sie glauben, dass Ihre Freundin das Opfer einer derartigen Sekte ist?«
    »Ja, ja! Ganz bestimmt.

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