Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
unglücklich aus. Sie nahm Missgeschicke, wie man sie nehmen sollte, und behandelte sie kompetent, so dass sie ihre Bedeutung verloren.
»So etwas«, sagte Miss Pope, »ist noch nie vorgekommen.«
»Und wird nie wieder vorkommen!«, schien ihre Haltung anzudeuten.
Hercule Poirot fragte:
»Es wäre Winnie Kings erstes Semester hier gewesen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Hatten Sie eine vorhergehende Besprechung mit Winnie – und ihren Eltern?«
»Nicht neuerdings. Vor zwei Jahren war ich in der Nähe von Grantchester – ich war zu Gast beim Bischof – «
Miss Popes Miene schien zu sagen:
»Achtung, bitte! Ich gehöre zu den Leuten, die mit Bischöfen verkehren!«
»Und während ich dort war, lernte ich den Kanonikus und Mrs King kennen. Mrs King, die Arme, ist leidend. Ich traf auch Winnie. Ein sehr wohlerzogenes Mädchen, mit einem ausgesprochenen Kunstsinn. Ich sagte Mrs King, dass ich Winnie nach ihrer Schulzeit in ein bis zwei Jahren mit Freuden aufnehmen würde. Wir spezialisieren uns hier auf Kunst und Musik, Monsieur Poirot. Die jungen Mädchen werden in die Oper, in die Comédie Française geführt, sie hören Vorträge im Louvre. Die besten Lehrkräfte kommen hierher, um sie in Musik, Gesang und Malerei zu unterrichten. Unser Ziel ist beste Allgemeinbildung.«
Miss Pope erinnerte sich plötzlich, dass Poirot kein Elternteil war und fügte unvermittelt hinzu:
»Womit kann ich Ihnen dienen, Monsieur Poirot?«
»Ich möchte gerne wissen, wie die Angelegenheit mit Winnie momentan steht.«
»Kanonikus King ist nach Amiens gekommen und nimmt Winnie wieder nach Hause zurück. Es ist das Klügste, was er tun kann, nach dem Schock, den das Kind erlitten hat.«
Sie fuhr fort:
»Wir nehmen hier keine schwächlichen Mädchen auf. Wir sind nicht dafür eingerichtet. Ich habe dem Kanonikus geraten, das Kind nach Hause zu nehmen.«
Hercule Poirot fragte rundweg:
»Was ist Ihrer Meinung nach tatsächlich geschehen, Miss Pope?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Monsieur Poirot. Die ganze Sache, wie sie mir berichtet wurde, klingt völlig unglaubhaft. Ich bin nicht der Ansicht, dass das Mitglied meines Lehrkörpers, unter dessen Aufsicht die Mädchen waren, in irgendeiner Weise zu tadeln ist – außer, dass sie die Abwesenheit der Kleinen früher hätte bemerken können.«
Poirot forschte weiter:
»Hat jemand von der Polizei Sie aufgesucht?«
Ein leichter Schauer ging durch Miss Popes aristokratische Gestalt. Sie sagte eisig:
»Ein Monsieur Lafarge von der Präfektur suchte mich auf, um zu sehen, ob ich irgendein Licht in die Sache bringen könnte. Das konnte ich natürlich nicht. Dann wollte er Winnies Koffer inspizieren, der natürlich mit dem Gepäck der anderen Mädchen hier angekommen war. Ich sagte ihm, dass er schon von einem anderen Polizeibeamten abgeholt worden sei. Ich vermute, dass die Abteilungen ineinander übergreifen. Ich bekam kurz darauf einen Telefonanruf mit der Anschuldigung, ich hätte nicht sämtliche Effekten von Winnie übergeben. Darauf habe ich äußerst kurz geantwortet. Man darf sich von den Behörden nicht einschüchtern lassen.«
Poirot atmete tief auf.
»Sie sind sehr temperamentvoll, Mademoiselle, und ich bewundere Sie. Ich vermute, dass Winnies Gepäck bei der Ankunft ausgepackt worden war?«
Miss Pope blickte ein wenig verdutzt drein.
»Das ist bei uns die Regel«, erklärte sie. »Bei uns geht alles streng nach Regeln. Die Koffer der Mädchen werden bei der Ankunft ausgepackt und ihre Sachen so eingeräumt, wie ich es wünsche. Winnies Sachen wurden mit denen der anderen Mädchen ausgepackt. Natürlich wurden sie nachher wieder eingepackt, so dass ihr Koffer genau so übergeben wurde, wie er angekommen war.«
»Genau so?« wiederholte Poirot.
Er ging zur Wand hinüber.
»Das ist doch ein Bild der berühmten Grantchester Bridge mit der Kathedrale im Hintergrund?«
»Ganz richtig, Monsieur Poirot. Winnie hat es offenbar gemalt, um es mir als Überraschung mitzubringen. Es war in Papier eingewickelt in ihrem Koffer mit der Aufschrift ›Für Miss Pope von Winnie‹. Sehr lieb von der Kleinen.«
»Ah!«, sagte Poirot. »Und was halten Sie davon – als Malerei?«
Er selbst hatte schon viele Bilder der Grantchester Bridge gesehen. Es war ein Sujet, das alljährlich in der Akademie figurierte; manchmal als Ölgemälde, manchmal als Aquarell. Er hatte es gut, mittelmäßig, uninteressant gemalt gesehen. Aber er hatte es noch nie so ganz stümperhaft hingekleckst
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