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Die ersten Zeitreisen

Die ersten Zeitreisen

Titel: Die ersten Zeitreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Heinrich und Erik Simon
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Gibraltar
    begann auf dem Atlantik ein grauer Seefahreralltag. Der
Historiker und der Ethnograph wurden von der Seekrankheit
befallen, von der sie sich nie wieder vollends
erholten. Sie trugen ihr Martyrium mit Würde, soweit ein
seekranker Mensch überhaupt würdevoll sein kann. Ihre
ehemalige Rivalität hatten sie völlig vergessen, ja, sie verfielen
sogar in das andere Extrem: Radsch Singh beteuerte,
wie gern er an seiner Stelle einen zweiten Ethnographen
sehen würde, und Thomas McFleod bereute
aufrichtig, daß er seinen Platz nicht an einen zweiten Historikerabgetreten hatte. So mußten sie denn gemeinsam
leiden und wünschten nichts sehnlicher, als wieder in
ihrem eigenen Zeitalter zu sein, aber von der Erfüllung
dieses Wunsches trennten sie noch viele Jahrhunderte,
von denen ihnen jede einzelne Woche endlos vorkam.
    Auch die drei anderen Zeitreisenden fanden keinen rechten
Gefallen an der Unsterblichkeit und wurden von der
Sehnsucht nach der heimatlichen Epoche verzehrt. Dr.
temp. Jean Satikoff peinigten Minderwertigkeitskomplexe,
deren Komplexität nichts zu wünschen übrigließ,
denn er kam sich als Leitender Temporalist ohne Zeitmaschine
nicht nur verwaist und hochgradig nutzlos, sondern
auch lächerlich, ja absurd vor. „Ein Temporalist
ohne Zeitmaschine“, klagte er sein Leid jedem, der es hören
wollte oder auch nicht, „ist wie ein Pferd ohne Reiter
. . ., äh . . ., wie ein Reiter ohne Pferd.“
    Außerdem war er im Zweifel, ob er sich Doktor der Temporalistik
nennen durfte, da es ja diese Wissenschaft
noch gar nicht gab.
    Dr. Mayer wiederum konnte sich nichts Schrecklicheres
und Qualvolleres vorstellen als die Aussicht, sich mehrere
Jahrhunderte lang von Fisch ernähren zu müssen,
den er prinzipiell verabscheute.
    Der Kontaktspezialist schließlich litt sehr unter der auf
ihm allein lastenden Verantwortung, jahrhundertelang
über die Einhaltung der Instruktionen wachen zu müssen.
Selbst wenn es gelang, merkliche Veränderungen
der Vergangenheit zu vermeiden, bestand doch die Gefahr,
daß die Zeitreisenden früher oder später durch irgendwelche
unzureichend getarnten und daher übernatürlich
wirkenden Eigenschaften das Interesse der
Einheimischen wecken könnten, die daraus dann vermutlich
irgendein Märchen, eine Sage oder gar eine neue
Religion ersinnen und erspinnen würden. [7] Und ihn, Pieter
van Daagen, würde man dafür wegen instruktionswidriger
Mystifikationen zur Verantwortung ziehen.
15. Drei Jahre lang
    hielten sie standhaft aus, dann wurden die meisten neurotisch.
Sie verfolgten ihre tatsächlichen oder
eingebildeten Krankheiten bis zum theoretischen Tode,
verloren das Interesse an ihnen und wandten sich anderen
Gebrechen zu.
16. Im vierten Jahr
    traten Zweifel an der Unsterblichkeit auf.
    Dr. Mayer wollte solche Zweifel beseitigen und sprang,
um die Unsterblichkeit zu demonstrieren, ins Wasser,
mitten in ein Rudel Haie. Er wurde mit Mühe gerettet.
Mit dem Raumbildprojektor warf man den Haien die
Bilder ganzer Felsmassive an den Kopf, denen sie auswichen.
Ein Hai jedoch hatte Dr. Mayers Fuß zwischen
den Zähnen gehabt, wovon der Raubfisch eine böse Zerrung
davontrug. Seither wird die Gegend von Haien gemieden.
17. Die Unsterblichkeit
    schien in Frage gestellt. Fünf Tage später ging der Ethnograph
heimlich über Bord, doch da kam gerade Jonas
Walfisch vorbei, der soeben erfahren hatte, daß es im
Mittelmeer gar keine Wale gibt, und sich deshalb im Interesse
der Wissenschaft in den Atlantik zurückzog. Er
schluckte den Ethnographen und spuckte ihn in hohem
Bogen zurück auf das Deck.
18. Dr. McFleod
    brach sich dabei den kleinen Finger der linken Hand und
hielt sich für tot. Er blinzelte und erblickte zu seinem
Entsetzen eine spanische Karavelle mit der schwarzen
Piratenflagge. Er sprang auf, eilte zur Steuerzentrale,
und schon jagte das Universalfahrzeug in Richtung Westen
davon. Plötzlich fiel dem Ethnographen ein, daß
Kolumbus bald kommen mußte, und er drehte nach Süden
ab. Dann rief er die Mitreisenden zusammen.
19. Die Beratung
    hatte begonnen. Der Ethnograph gab zu, daß Temps
Schätzung wohl doch richtig war und man sich im
15. Jahrhundert befand. „Deshalb“, erklärte er, „ist damit
zu rechnen, daß der Schiffsverkehr auf dem Atlantik
allmählich in Schwung kommt. Wer weiß, vielleicht hat
Kolumbus schon die Startgenehmigung. Jedenfalls ist es
mit der Abgeschiedenheit dieser Gegend vorbei, und wir
müssen woandershin.“
    Pieter van Daagen, der als

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