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Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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anhaben.
    Am Schluss hatte sogar Melissa ihre Kopfhörer abgesetzt und sich beteiligt, indem sie von ihrem verrückten Talent erzählte. Es stellte sich heraus, dass sie und nicht Dess die übersinnlichen Fähigkeiten hatte – von der echt übersinnlichen, nicht der psychosomatischen Sorte –, und das hörte sich total furchtbar an. Sie hatte beschrieben, dass es sich anfühlte, als würde man in einem Zimmer sitzen, in dem fünfzig Radios dröhnten, die alle auf unterschiedliche Sender eingestellt waren. Und Rex hatte Jessica gewarnt, sie nicht anzufassen; Körperkontakt drehte die Lautstärke viel zu weit auf.
    Kein Wunder, dass Melissa so eine nette Gesellschaft war.
    Während Jessica dem großen Zeiger ihres Weckers zusah, wie er die verbleibenden Minuten wegwischte, legte sie eine Hand auf ihren grummelnden Bauch. So fühlte sie sich immer, wenn ein Test anstand. Und das war vielleicht ein Test. Es ging um Mathe, Mythologie, Metallkunde, Naturwissenschaft und Urgeschichte. Und wenn man nur eine Frage falsch beantwortete, konnte es bedeuten, dass man an die Würmer verfüttert wurde.
    Rex, Dess und Melissa hatte der Tag sicher viel mehr Spaß gemacht. Über Jahre hatten die drei eine komplette Welt geheim gehalten. Sie hatten sich den Schrecken und Freuden der Midnight allein stellen müssen. Logischerweise waren sie ganz wild darauf, sie mit jemand Neuem zu teilen.
    Jessica wünschte sich nur, sie hätte sich von allem, was sie erzählt hatten, mehr merken können. Nach der ersten, vielleicht auch nach drei Stunden, hatte sich ihre schlaflose Nacht bemerkbar gemacht, und ihre Stimmen hörten sich wie das Dröhnen mehrerer Motoren an. Schließlich hatte sie ihnen gesagt, sie würde nach Hause gehen.
    Es war erstaunlich, wie schnell eine neue und geheimnisvolle Welt erst absolut unglaublich und dann total unerträglich werden konnte.
    Sie war gerade noch rechtzeitig zum Abendessen zu Hause eingetroffen. Jessica wusste genau, dass ihre Mom vorhatte, sie wegen der immer noch unausgepackten Kartons anzubrüllen. Aber dann warf sie einem Blick in Jessicas erschöpftes Gesicht und schaltete sofort um.
    „Ach, Liebling. Hast du etwa den ganzen Tag Hausaufgaben gemacht? Ich bin schuld, weil ich dich in all den Fortgeschrittenenkursen untergebracht habe, nicht wahr?“
    Jessica sparte sich die Mühe zu widersprechen. Sie war während des Essens fast eingeschlafen und dann sofort ins Bett gegangen. Ihren Wecker hatte sie aber auf halb zwölf gestellt. Heute Nacht wollte sie ganz wach und angezogen sein, wenn die blaue Zeit kam.
    Sie hatte sich zwar höchstens die Hälfte von all dem merken können, was ihr die Midnighter beizubringen versucht hatten, das wichtige Zeug wusste sie aber noch. Jessica hatte drei neue Waffen bei sich: Holdseligkeit, Fossilisation und Rechtsordnung. Das waren eine Stahlfeder, eine lange Schraube und eine abgebrochene Antenne von einem Autoradio. Sie sahen nicht sehr bedeutend aus, und Dess meinte, dass sie alle nicht so furchteinflößend wären wie die mächtige Hypochlorämie, sie hatte aber garantiert, dass sie einem Darkling Feuer unter dem Schwanz machen würden. Oder wenigstens ein funkelndes blaues Feuerwerk entfachen würden. Jessica hatte sich von Dess außerdem ein paar Rezepte geborgt, wie sie selbst Fallen aufstellen konnte. Ihr Schlafzimmer war jetzt vor Gleitern sicher.
    Obendrein würde sie das Haus heute Nacht keinesfalls verlassen.
    Die anderen drei Midnighter wollten zum „Ort der Lehre“, wie Rex sagte. Offensichtlich hatte es in Bixby Midnighter gegeben, seit es die geheime Stunde gab. Einige von ihnen waren hier geboren und andere, wie Jessica, zufällig in der Stadt gelandet. Generationen von Sehern wie Rex hatten allmählich Wissen über die blaue Zeit und Darklinge gesammelt und ihre Entdeckungen an Orten niedergelegt, wo nur Seher sie finden konnten. Draußen in den unvergänglichen Badlands kennzeichneten unsichtbare Runen riesige, uralte Felsen und erzählten die alten Geschichten.
    Rex hatte gesagt, er würde so lange suchen, bis er herausgefunden hatte, warum sich die Darklinge so sehr für Jessica interessierten. „Vielleicht war das gestern Nacht aber auch nur ein Zufall“, schlug er wenig überzeugend vor.
    „Vielleicht mögen sie dich einfach“, hatte Melissa gesagt und mit den Lippen geschmatzt. „Wie eine besonders leckere Pizza.“
    Noch zwei Minuten.
    Jessica schluckte und hob ihre Füße vom Boden. Die Gleiter konnten eigentlich noch nicht hier

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