Die Erwaehlten
ins Holz der Tür gesteckt hatte, die passende Waffe gegen ihre mächtigen Muskeln waren.
Von draußen war kein Laut mehr zu hören. Was, wenn das Biest noch da draußen war?
Sie musste nachsehen.
Jessica ließ sich auf Hände und Knie nieder und kroch an der Wand entlang, bis sie direkt unter dem Fenster angekommen war. Dort blieb sie sitzen und lauschte so angestrengt, wie sie konnte. Die völlige Stille schien leise zu dröhnen, wie das Rauschen des Ozeans in einer Muschel.
Zentimeter für Zentimeter hob sie ihren Kopf über das Fensterbrett.
Ein Gesicht starrte ihr entgegen.
Jessica sprang zurück, während sie mit Rechtsordnung ausholte, die daraufhin an die Scheibe krachte. Sie taumelte rückwärts, bis sie an ihr Bett stieß. Das Fenster öffnete sich.
„Schon gut, Jessica. Ich bin’s bloß“, rief eine Stimme durch den Spalt.
Die Autoantenne wie ein Schwert von sich gestreckt, blinzelte Jessica und zwang ihr Hirn, die bekannte Stimme mit dem Gesicht, dass sie erblickt hatte, in Verbindung zu bringen. Nach einigen angstvollen Sekunden kehrte die Erinnerung zurück, zusammen mit einer Woge der Erleichterung.
Es war Jonathan.
Jonathan thronte auf der Fensterbank, offensichtlich leicht verunsichert, ob er hineinklettern sollte. Er schien zu fürchten, dass Jessica ihr Schwert ein zweites Mal schwingen würde. Rechtsordnung, die sie nervös von einer Hand in die andere wandern ließ, war nach wie vor einsatzbereit. Jonathan saß mit einem untergeschlagenen Bein da, das Knie des anderen hatte er unter sein Kinn hochgezogen. Besonders beängstigend sah er nicht aus.
Er hatte nicht viel gesagt, seit er am Fenster aufgetaucht war. Er schien abzuwarten, bis sie sich beruhigt hatte. Im Unterschied zu seinem Auftritt in der Kantine hatte Jonathan die Augen jetzt weit aufgerissen. Er sah kein bisschen verschlafen aus. Vielleicht war er bei Tageslicht auch fotophobisch.
Allerdings war sie froh, dass er seine Augen nicht hinter dicken Gläsern versteckte. Es waren sehr hübsche Augen.
Er beobachtete, wie Jessica ihren Atem allmählich unter Kontrolle bekam, mit aufmerksamem Blick, aber schweigend.
„Ich wusste nicht, dass du auch Midnighter bist“, brachte sie schließlich heraus.
„Sie haben dir nichts gesagt?“ Er lachte. „Das passt.“
„Sie wissen von dir?“
„Logo. Seit dem Tag, an dem ich hierhergezogen bin.“
Jessica schüttelte ungläubig den Kopf. Sechs Stunden Midnighterlehre, und weder Rex noch Dess noch Melissa hatten sich die Mühe gemacht, den fünften Midnighter in der Stadt zu erwähnen.
„Warte mal“, sagte Jessica, als ihr etwas einfiel. „Bist du der Einzige, von dem sie mir nichts erzählt haben? Wie viele gibt es denn noch von deiner Sorte?“
Jonathan grinste. „Mich gibt es nur einmal“, antwortete er.
Sie sah ihn entgeistert an, noch immer zu überwältigt, um sich irgendeinen Reim darauf zu machen.
„Nein, es gibt sonst keine“, sagte er jetzt ernsthafter. „Ich bin der Einzige, den sie nicht erwähnt haben.“
„Wieso, können sie dich nicht leiden?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich gehöre nicht zum Club, verstehst du? Ich meine, Rex ist in Ordnung, soweit ich weiß, und Dess ist eigentlich ziemlich cool.“ Er machte eine Pause, offensichtlich wollte er sich nicht über Melissa auslassen. „Aber sie sehen die ganze Sache viel zu verbissen.“
„Zu verbissen ?“
„Genau. Sie benehmen sich wie Abgesandte des Internationalen Midnighterkonzils oder so.“
„Es gibt ein Internationales Midnighterkonzil?“, fragte Jessica.
Er lachte. „Nein, aber Rex hätte das gern. Er glaubt, diese ganze Midnightgeschichte hat irgendeine verborgene und geheimnisvolle Bedeutung.“
Jessica blinzelte. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, daran zu zweifeln, dass hier verborgene und geheimnisvolle Kräfte am Werk waren. Das Ganze kam ihr reichlich verborgen und geheimnisvoll vor.
„Und was hältst du davon, Jonathan?“
„Ich finde, wir haben Glück, weil wir eine ganze Welt für uns allein haben. Um darin zu spielen, sie zu entdecken oder was immer wir wollen. Wozu soll man sich mit irgendeinem tieferen Sinn abquälen?“
Jessica nickte. Seit der Darkling sie angegriffen hatte, war die geheime Stunde für sie zu einer Krise geworden, einer tödlichen Herausforderung. Aber jener erste, wunderschöne Traum war etwas völlig anderes gewesen. Etwas … Schwereloses.
„Für Rex“, fuhr Jonathan fort, „ist die blaue Zeit ein großes Lehrbuch, und er
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