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Die Erziehung - Roman

Die Erziehung - Roman

Titel: Die Erziehung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zusammen. Bei jedem Schritt musste er den Fuß aus dem Morast reißen, der bald über seinen Bauch schwappte und sein Hemd an seinen Oberkörper klebte. Will der uns ersäufen?, fragte er sich und stellte fest, dass diese Aussicht ihn gleichgültig ließ oder zumindest nicht sonderlich berührte. Instinktiv vertraute er dem anderen. »Ich vertraue ihm«, sagte er laut. Der Mann antwortete mit einem Lachen über die Schulter. Der Dreck auf seiner Haut roch nach faulen Eiern, nach Schorf. Algen schlangen sich um seine Beine und Arme, blieben an den Fingern hängen. Das Wasser reichte Gaspard bis zum Hals, und er sog den Geruch in vollen Zügen ein. Der Mann blieb stehen, wandte den Kopf flussaufwärts, was ihm Gaspard sofort nachmachte. Um sie herum drängten sich weitere Männer, die er nicht hatte näher kommen sehen, so sehr hatte er sich auf seine Füße konzentriert, um nicht zu straucheln. Alle waren von demselben Dreck bedeckt. Manche steckten den Kopf ins Wasser und tauchten als Zwitterwesen wieder auf. Vor ihnen trieb, auf nahezu zweihundertfünfzig Fuß Länge, ein Masse Flößholz auf sie zu. Auf den imposantesten Stücken saßen rittlings ein paar Kerle, wie auf einem Höllenfloß, und lenkten das Ganze. Der Mann streckte Gaspard ein Messer hin. »Du kletterst rauf, schneidest die Seile durch und machst, dass du fortkommst«, sagte er. Gaspard ergriff die Klinge und wartete, bis die Unglücksschiffer in den Brückenbogen steuerten. Die sitzen auf einem Ungeheuer, von dem man nur den Panzer sieht , dachte er. Er stellte sich ein riesiges Maul vor, das die Dunkelheit des Flusses spaltete, um sich auf sie zu stürzen. »Sei vorsichtig«, sagte der andere noch. Gaspard hatte Lust, ans Ufer zurückzukehren. Angeführt von hohlem Geplätscher schob sich der Zug an die Männer heran, die sogleich auf ihn hinaufkletterten. Gaspard griff nach einem dicken vorbeischwimmenden Stamm. Das Holz glitt unter seiner Hand davon, und ein Splitter drückte sich in sein Fleisch. Das Blut verschwand sofort in einer düsteren Lache. Alles um ihn herum war schwarz – das Wasser, das Holz, die Männer. Gaspard versuchte, sich erneut auf das Floß zu ziehen, wuchtete sich aus dem Fluss empor. Schon zerschnitten die anderen die Seile. Also machte er sich mit der stumpfen Klinge seines Messers an einem Strick zu schaffen. Die Stämme gerieten zwischen zwei Strömungen, Gaspard fiel ins Wasser. Das Holz zerstob in alle Richtungen, Stämme rammten Stämme in einem Tumult von Schreien und von Strudeln graugrünen Wassers. Gaspard begriff, dass er Hände und Kopf schützen musste, und beeilte sich, die Stämme ans Ufer zu ziehen. Andere Männer kamen hinzu und banden das Holz an der Böschung fest. Der Schlamm drang Gaspard durch Mund und Nase, lief schwallweise in seinen Magen, machte ihn blind. Er glaubte zu ersticken, ließ sich in den Schlamm fallen. Ein lehmbedeckter Mann streckte ihm die Hand entgegen: »Aufgestanden, es kommen noch sechs andere Fuhren.« Gaspard richtete sich auf, seine Muskeln zitterten unter der Anstrengung. Dann tauchte er wieder ein, schwamm ein paar Züge, trank Wasser, das er klarer fand als anderswo, und wartete keuchend auf das ankommende Holz. Dunkel nahm er die gedrungene Gestalt des Mannes wahr, der ihn hergeführt hatte und dessen Namen er nicht kannte. Was soll’s , dachte Gaspard, hier hat keiner einen Namen, auch ich nicht. Im Dreck sind alle gleich. Er blickte auf die Wasseroberfläche und meinte eine kleine blassgrüne Maske zu sehen. Das Ding bewegte sich träge vorwärts, einer Meeresnacktschnecke gleich. Es trieb auf ihn zu, hatte es genau auf ihn abgesehen. Er runzelte die Stirn, dachte an einen ins Meer gefallenen Kürbis oder an eine Halbmaske, so eine, wie die Straßenartisten sie benutzten, die Schauspieler der commedia dell’arte und die Tragödiendarsteller. Dann, ohne zu bemerken, dass er seine vom Wasser runzelige und vom Splitter aufgerissene Hand ausgestreckt hatte, legte es sich in seine Handfläche.
    Es war der Kopf eines Säuglings. Klar abgetrennt beim Ansatz des Rückenmarks, das wie eine elfenbeinerne Kugel durchs fahle Fleisch stach. Der Hals war auseinandergeplatzt wie eine überreife Frucht. Die Haut hing in Fetzen über das poröse Fleisch. Wirr wuchsen die Arterien aus diesem bleichen Dung, und in der Mitte klaffte wie ein offener Mund die Luftröhre. Die Ohren waren abgefressen, Reste von Knorpel umgaben die Gehörgänge, auch die Haut der Wangen. Das Gesicht zeigte ein

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