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Die Eule - Niederrhein-Krimi

Die Eule - Niederrhein-Krimi

Titel: Die Eule - Niederrhein-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Thomas u Wirth Hesse
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Erfahrungshunger zu stillen. Heute hatte er oft nicht die geringste Ahnung, was er mit seiner Zeit anfangen sollte.
    Was ist eigentlich mit mir passiert?, fragte er sich.
    Er schloss die Augen und lehnte sich zurück. Seine rechte Hand erinnerte sich augenblicklich daran, wie es gewesen war, den Zündschlüssel zu drehen und den Knopf zu ziehen, mit dem der Diesel vorgeglüht wurde. Es war wieder da, das vertraute Gefühl, und van de Loo spielte in Gedanken mit dem Gaspedal. Dann versetzte er sich und den Hundertneunziger auf die Straße, legte den ersten Gang ein und beschleunigte. Der Wagen nahm Fahrt auf, und van de Loo schob genüsslich die Gänge ein. Jetzt konnte er auch das Seitenfenster herunterkurbeln, sodass der Geruch der Vergangenheit verschwand. Stattdessen strömte frische, niederrheinische Luft in den Innenraum. Ein Gemisch aus satter Erde, feuchtem Gras und moosiger Baumrinde, gewürzt von einem salzigen Wind, der aus Holland herüberwehte und die Alleebäume zum Rauschen brachte.
    Van de Loo trat das Gaspedal durch. Mit einem Mal gab es für ihn keine Grenzen mehr, keine Zweifel oder Hindernisse. Er fuhr, und nichts stand seinen Träumen im Weg. Er war allein unterwegs, die Straßen wie leer gefegt. Es kam ihm vor, als seien die glatten Asphaltbänder eigens für ihn verlegt worden.
    Erst im letzten Augenblick sah er den Anhänger. Er tauchte hinter einer Kurve auf. Irgendein Bauernlümmel fuhr verboten langsam und mitten auf der Straße, als würde die Welt ihm allein gehören. Van de Loo ging in die Eisen. Mit knapper Not schaffte er es, den Wagen rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Er bearbeitete die Hupe. Der Traktorfahrer fuhr noch langsamer und hielt schließlich an.
    Van de Loo ahnte nichts Gutes. Manche Burschen aus der Landwirtschaft warteten nur auf eine Gelegenheit, Streit anzufangen und ihre Fäuste fliegen zu lassen. Er wollte so schnell wie möglich weiter, aber es gab kein Vorbeikommen. Zurücksetzen konnte er auch nicht, denn der Gang klemmte. Wie benommen starrte er auf den Anhänger, der sich jetzt rückwärts in Bewegung setzte und unerbittlich näher kam. Als er die Stoßstange berührte, wurde van de Loo durchgeschüttelt. Gleichzeitig öffnete sich die Ladeklappe des Anhängers. Irgendwelches Gemüse kam ins Rutschen, klatschte auf die Kühlerhaube des Hundertneunzigers und prasselte gegen die Scheibe.
    »He!«, schrie van de Loo. »Was soll das?«
    Er riss die Hände hoch, um sein Gesicht zu schützen, und erwachte aus seiner Träumerei. Dicke Tropfen schlugen wie Bomben auf der schmutzigen Windschutzscheibe ein. Es hatte zu regnen begonnen. Das Schuppendach musste undicht sein.
    »Kartoffeln«, flüsterte van de Loo. »Dieser Kerl hatte Kartoffeln geladen! Ich muss sofort zu Tante Gertrud!«
    Er stieß die Fahrertür auf. Beim Aussteigen blieb er mit dem Hemd an einem Draht hängen. Er hörte, wie der Stoff nachgab, stolperte aber dennoch weiter zum Tor, lief über den gepflasterten Hofplatz, durchquerte den ehemaligen Kuhstall, in dem nur ein paar alte Fahrräder standen, und riss wenig später die Küchentür auf. Van de Loo starrte auf den Tisch und die Stühle. Sie waren leer. Tante Gertrud war nicht da. Der Berg mit Kartoffeln, den sie täglich für sich und sämtliche Nachbarn bearbeitete, lag nahezu unberührt auf dem Tisch. Van de Loo trat in den Flur zurück.
    »Tante Gertrud?«, rief er.
    Keine Antwort.
    »Trude?«
    Stille, die nichts Gutes verhieß.
    In letzter Zeit war Tante Gertrud manchmal ziemlich durcheinander. Sie war ein paarmal mitten in der Nacht aufgestanden und ziellos durch die Gegend geirrt. Als sie aufgegriffen worden war, behauptete sie, auf dem Weg in die Schule oder den Kindergarten zu sein. Einmal hatte man sie an der Niers gefunden, an einer Uferstelle, wo sie vor mehr als sechzig Jahren mit ihrer Freundin ein Versteck gehabt und gebadet hatte. Eine nackte, alte Frau, die am weidenbewachsenen Ufer saß, auf das Wasser schaute und nicht merkte, dass sie sich den Tod holte. Nur wenn sie Kartoffeln schälte, hatte van de Loo sich bislang immer darauf verlassen können, dass sie an ihrem Platz in der Küche blieb und keinen Unsinn machte.
    Nachdem er die unteren Räume abgesucht hatte, ging er nach oben. In ihrem Zimmer war Trude nicht. Auch nicht im Bad. Die übrigen Zimmer waren abgeschlossen. Van de Loo wollte die Suche schon aufgeben, als er ein Geräusch vom Speicher hörte. Er stieg die steile Treppe hinauf.
    Auf der obersten Stufe standen Tante

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