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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Warenlager der Deutschen, in Flammen aufgehen. Das wäre eine Katastrophe gewesen, denn nur der Handel mit den deutschen Kaufleuten verhinderte seit der Entdeckung der Seewege nach Indien und dem Verfall der Gewürzpreise den Untergang des leckgeschlagenen Schiffes Venedig.
    Als ich mich mit Menandros näherte, erhoben sich die beiden Bewaffneten von den Stufen der Brücke. Sie kannten mich. Und sie wussten, wie einflussreich Tristan Venier war. Deshalb ließen sie den hölzernen Mittelteil des Ponte di Rialto herab, damit wir auf die andere Seite gelangen konnten.
    Auf dem Rialtomarkt bogen wir nach links zum Campo di San Polo ab, der durch die Fackeln an den Fassaden der Häuser beleuchtet wurde: Sie wurden erst nach ein Uhr gelöscht.
    Hinter dem blühenden Garten des Campo ritten wir weiter in Richtung des Stadtteils Santa Croce. Durch ein finsteres Labyrinth enger, verwinkelter Gassen erreichten wir schließlich Tristans Palast am Canalazzo, wo wir vor dem Tor aus den Sätteln sprangen.
    Ich sah an der schmucklosen Backsteinfassade der Rückseite des Palastes empor. Die Schlichtheit täuschte: Tristans Haus war eines der prächtigsten in Venedig und konnte sich stolz mit der filigranen, in Gold und Blau gehaltenen Ca’ d’Oro auf der anderen Seite des Canal Grande messen.
    Alle Fenster zum Garten waren dunkel.
    Ich schlug gegen das schwere Tor.
    Alles blieb still. Offenbar wurde ich nicht erwartet.
    Ich trat mit meinen Reitstiefeln gegen das Portal, während Menandros unsere Pferde in den Stall neben dem Garten führte.
    Endlich erschien Tristans Kammerdiener Giacometto. Mit einem brennenden Kerzenleuchter in der Hand schob er das Tor auf und leuchtete mir ins Gesicht.
    »Madonna Celestina!«, rief er erstaunt aus. »Verzeiht mir, ich wusste nicht, dass Ihr heute Nacht kommen wolltet. Der Signore ist sehr früh vom Bankett im Palazzo Ducale zurückgekehrt. Er war sehr enttäuscht, weil er Euch dort nicht getroffen hat.«
    »Schläft er schon?«
    »Er hat noch auf Euch gewartet, hat in seinem Arbeitszimmer an geheimen Akten gearbeitet und ist schließlich zu Bett gegangen. Gewiss schläft er schon.«
    »Dann geh auch du zu Bett, Giacometto! Es ist schon spät. Ich finde den Weg auch ohne Kerzenleuchter. Und lass das Portal offen. Ich werde vor dem Morgengrauen wieder gehen.«
    Er nickte. »Buona notte. Und viel Vergnügen!«
    »Grazie, Giacometto. Gute Nacht!«
    Er wartete mit dem Kerzenleuchter unten an der Treppe, bis ich den ersten Stock erreicht hatte. Dann kehrte er in sein Zimmer zurück. Im Dunkeln schlich ich weiter bis zu Tristans Schlafzimmer im zweiten Stock.
    Leise öffnete ich die Tür und trat in den vom Mondlicht erleuchteten Raum. Tristan schlief fest. Unter dem dünnen seidenen Laken war er nackt.
    Einen Augenblick lang stand ich vor dem Bett und betrachtete ihn traurig. Seinen schlanken, muskulösen und doch so anmutigen Körper, das schöne Gesicht mit dem bezaubernden Lächeln, umrahmt vom Glorienschein seiner schulterlangen, dunklen Haare.
    Ich zog die Stiefel aus, die Hosen, das weite Seidenhemd. Dann legte ich mich neben ihn auf das Bett und küsste ihn wach.
    Verschlafen öffnete er die Augen.
    Er schlang seine Arme um mich und küsste mich. »Da bist du ja! Den ganzen Abend habe ich auf dich gewartet. Wo warst du? Warum bist du nicht zum Bankett gekommen?«
    Ich wandte mein Gesicht ab, damit er im Mondlicht meine Tränen nicht sah. »Ich musste nachdenken.«
    »Baldassare und du – ihr habt euch auf dem Bucintoro sehr ernsthaft unterhalten.«
    So wie du und Leonardo!, dachte ich im Stillen.
    »Baldassare sagte mir, mein Buch habe den Papst sehr beeindruckt. Gianni wünscht, dass ich zu ihm komme.«
    »Du hast dich entschieden, nach Rom zu reisen.«
    »Ja.«
    Er atmete tief durch. »Wann?«
    »Morgen.«
    Enttäuscht ließ er sich in die Kissen zurücksinken und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Er wusste, dass er kein Recht hatte, mich von dieser Entscheidung abzubringen. Denn damit hätte er unser Versprechen gebrochen, das wir uns in Florenz gegeben hatten, dem anderen niemals seine Freiheit zu nehmen. Nur so, einander vertrauend, hatte unsere Liebe zwei Jahre lang alle Stürme überstanden.
    »Wann kommst du zurück?«

    Gemeinsam versanken wir in einem Meer von Gefühlen, ließen uns treiben, genossen die Wärme des anderen, die Geborgenheit, die Liebe, die Zärtlichkeit und die Leidenschaft, ergaben uns einander, waren nicht mehr getrennt, nicht mehr allein.
    Lange nach

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