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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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noch nicht Dreißig gewesen, als er auf das Schwert gestoßen war, aber in Rom hatte ich ihn bei Ende Dreißig eingeordnet: Alterten die Kreuzritter also doch, forderte die Zeit ihren Tribut, hinterließen die Jahrhunderte auch bei den 'Ewigen' ihre Spuren? Wenn ich mir die Gesichter von Andreas und Ciaran vor mein inneres Auge rief, waren es indes nicht Falten oder Erschlaffungen, die sie älter machten - es war eher diese ... Abgeklärtheit und Ruhe, wie sie jüngere Menschen einfach nicht hatten. Sie hatten die Würde und das Wissen des Alters, erkannte ich, nicht aber die sonst damit einhergehenden Zeichen der Zeit, und das machte sie derart außergewöhnlich. Vielleicht musste man so werden, wenn man so unglaublich alt wurde - würde ich auch in ein paar Jahrhunderten wie eine gütige Großmutter auf Leute schauen, die rein optisch doppelt so alt waren wie ich, und heute noch nicht einmal geboren? Dann fiel mir Josie ein, und ich musste lächeln: Sie hüpfte wie ein Floh herum und ihr Mund stand niemals still - von großmütterlicher Würde war sie auch mit ihren dreihundertfünfzig Jahren noch weit entfernt.
    Der Gedanke an Josie brachte mich wieder auf den Punkt: Drake, ich wollte Drakes Geschichte lesen. Ich blätterte zurück zu seinem Eintrag und fuhr fort, den lateinischen Text zu enträtseln. Er war ein vierter Sohn, also ein klassischer Fall des nach eigenem Land ausgeschickten, adeligen Kreuzritters. Den folgenden Satz verstand ich nur schwer und musste das Wörterbuch bei jedem zweiten Wort bemühen, beim übernächsten ebenso - und beim überübernächsten streckten verschachtelte Satzkonstruktionen mich und meine definitiv abgestorbenen Lateinkenntnisse völlig nieder. Irgendwas mit einem 'Gedanken an' und dem 'Wunsch nach' etwas - nur nach was, erschloss sich mir nicht.
    Ich kapitulierte, überdachte meine Möglichkeiten, beschloss, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und schleppte den dicken Band meinen Gang hinab und dann zwei Treppen hoch, zu Jacksons Tür, wo ich erst zögerte, weil ich mir nicht sicher war, ob ich vor der richtigen stand, dann aber doch leise klopfte. Jackson öffnete sofort, sah erst mich und dann das Buch an, bevor er die Tür weiter aufzog und mich wortlos einließ.
    Ich legte den Band vorsichtig auf einem ziemlich vollen Schreibtisch ab und musterte interessiert sein Reich, während Jackson im lockeren Pullover neben mir stand und die Hände auf dem Rücken zusammen nahm, als wäre er ein Künstler, der einem Interessenten einen Blick auf sein Werk gestattete. Sein Zimmer war kleiner als meins, aber nicht viel: Es fehlte die Küche, auch gab es wohl kein getrenntes Schlafzimmer, denn das ordentlich gemachte, schmale Einzelbett stand in einer Ecke. Ein großes Bücherregal, Sofa, Tisch und Sessel, der Schreibtisch, ein paar Teppiche, mehrere alte und nachgedunkelte Gemälde von Landschaften – und an einer Wand Jacksons Schwert, auf einer ähnlichen Halterung lagernd wie meines. Seines war indes ein wenig größer, was Andreas' (für mich immer noch absurd klingende) Theorie stützte, das Schwert aus dem Stein sei meiner Größe durchaus angemessen: Jacksons Klinge schien mir locker zehn Zentimeter länger und auch zwei oder drei Zentimeter breiter zu sein als die von 'meinem' Schwert, allerdings hatte er auch einen um mehr als nur zehn Zentimeter kräftigeren Oberkörper vorzuweisen. An Verzierungen gab es auf diesem Schwert nur das Schwingenkreuz, eingeprägt direkt unterhalb des Griffes, von diesem zog sich eine sanft geschlängelte Linie in der Mitte der Klinge bis zu deren Spitze – sie erinnerte mich ein wenig an Jacksons Locken und erschien mir wahrscheinlich deswegen als äußerst passend. Der Griff der Waffe war aus einem dunklen Metall, schwarze Lederschnüre umgaben den Bereich, den man mit den Händen fasste. Auf den beiden Graten zwischen Griff und Klinge sowie auf dem Endstück des Griffs glänzten silberne Ornamente - nicht so geschwungen wie die auf dem Schwert aus dem Stein, eckiger, keltisch vielleicht. Eine in ihrer Einfachheit durchaus schöne Waffe, die tatsächlich Gebrauchsspuren aufwies, wie ich erstaunt feststellte: Das Leder war abgegriffen, auf der Klinge gab es ein paar Kratzer, doch die Schneide funkelte messerscharf, wie frisch poliert.
    "Schön, aber sehr schlicht", sagte ich mit Kopfnicken zu dem Schwert, Jackson lächelte.
    "Durchaus, aber ein Schwert sollte ja ein Gebrauchsgegenstand sein", antwortete er. "Nur die Damen haben

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