Die Ewigen
schon in Rom meine beiden Reisebegleiterinnen davon überzeugt hatte, dass ich mit Jackson eine nicht nur optisch äußerst attraktive Partie gemacht hatte. Ein schlichtes und eher altmodisches Stück, wahrscheinlich gerade deshalb nicht unter ein paar zzehntausend zu haben: dunkelbraunes Lederarmband, weißes Ziffernblatt, Mondphasen und zwei weitere kleine Ziffernblätter und eine Stoppuhr.
"Lass mich raten: Die Damen haben eine kleinere in Gold bekommen?"
Jackson lächelte. "Nein, bei dieser Runde hat jeder eine andere Uhr bekommen. Bei der heutigen Vielfalt ... Maggie und Josie würden sich wohl kaum über das gleiche Model freuen, deswegen hat Andreas sich die Mühe gemacht und für jeden eine eigene ausgewählt. Er hat einen kleinen Uhren-Tick", fügte Jackson hinzu - ein wenig widerstrebend, als spräche er nur ungern über solcherlei Dinge. Zu höflich und zurückhalten für Klatsch und Tratsch, schlussfolgerte ich, was seine Sympathiewerte bei mir indes nicht sinken ließ. "Andreas hat dem Dorf unten im Tal eine Kirchturmuhr gestiftet, bald, nachdem diese aufkamen, und er hat angeblich sogar überlegt, ob er nicht eine am Haupthaus der Burg anbringen lassen soll - der Legende nach war Ciaran dagegen und sagte, dass er sich von einer toten Maschine nicht seinen Tagesablauf diktieren lassen wolle. Und seitdem es Uhren als Miniaturen gibt, bekommen die Mitglieder des Ordens alle einhundert Jahre eine - als regelmäßige Erinnerung daran, dass auch uns die Zeit davonläuft, dass auch uns die Stunde schlagen wird. Als Erstes gab es im Jahr 1600 diese ... ja, 'Dosenuhren' nennt man sie heute, weil sie in etwa so groß sind wie eine Konserve. Diese alten Exemplare sind im Keller eingelagert - wenn dich das interessiert, wird Andreas sie dir nur zu gern zeigen. Und er hat auch die Tradition eingeführt, dass alle Neuen im Orden zur Feier ihrer ersten Narbe von ihrem Mentor eine Uhr geschenkt bekommen." Er griff wieder an mir vorbei und holte eine zweite Taschenuhr aus einem Samtbeutel, legte mir auch dieses alte Stück in die Hand.
"Was ist ein Mentor?", fragte ich, während ich diese Uhr musterte: etwas kleiner als die Erste, aber auch aus Silber, selbstverständlich mit Schwingenkreuz und der Jahreszahl 1899.
"Ein bereits voll initiiertes Ordensmitglied, das dem Neuen in der Bewährungszeit zur Seite steht. Bei mir war es Ethan", beantwortete Jackson vorab bereitwillig die mir schon auf der Zunge liegende Frage.
"Der Verbannte?" Jackson zog eine sehr perfekte Augenbraue hoch. "Hat mir Andreas erzählt", erklärte ich bereitwillig, Jackson nickte.
"Ja, der Verbannte."
Er verstaute beide Taschenuhren in ihren Behältnissen, und das blitzende Edelmetall legte mir eine Frage in den Mund, die durchaus schon länger durch meinen Kopf gegeistert war.
"Jackson ... ich sollte das wohl eher Andreas fragen, aber ... woher habt ihr eigentlich das ganze Geld? Die Burg, das Haus in Rom, die Autos, diese Uhren, die Klamotten ..." Ich machte eine unbestimmte Armbewegung, die die ganze goldglänzende Kreuzritterwelt umfassen sollte, auch die fünf Millionen Euro in meinem Tresor.
"Hauptsächlich Landbesitz", antwortete Jackson bereitwillig, und nahm die Hände wieder auf dem Rücken zusammen, als erstatte er mir Rapport. "Dem Orden gehören große Ländereien, wie zum Beispiel die gesamten Plantagen hier im Tal und darum herum. Streng genommen sind wir einer der größten Landbesitzer in Südtirol, und die Pachteinnahmen dürften nicht unerheblich sein. Dann noch Immobilien, Aktien und Wertpapiere - um Letzteres kümmert sich Ffion, hauptberuflich. Die Verwaltung der Besitztümer ist ansonsten die Aufgabe des jeweiligen Ordensmeisters, und sie nimmt auch das meiste von dessen Zeit in Anspruch. Dann haben wir natürlich noch Wertgegenstände: Kunst, Bücher, Gold. Allein Andreas' Uhrensammlung dürfte heutzutage wertvoll genug sein, um uns alle ein paar Jahre zu ernähren."
Ich dankte Jackson mit einem Nicken und sah unvermittelt Andreas vor mir, der wie ein Gutsherr die Pacht oder den Zehnten der armen, ausgezehrten, zerlumpten Bauern mit einem gnädigen Nicken akzeptierte. Blödsinn, korrigierte ich mich selber angesichts des herausgeputzten Ortes unten im Tal und der großen Höfe an den Hängen - aber trotzdem: Ein Wams, ein Federhut und ein dicker, lederner Geldbeutel würden dem Ordensmeister sehr zu gut Gesicht stehen, war er doch von allen Kreuzrittern derjenige, der am ehesten aus einer anderen Zeit, aus einer
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