Die falsche Frau
Charakter. Die Geschichte eines Soldaten, der von einem Tag auf den anderen lebte, nur für einen Stich Hoffnung, und nur bis zu dem Moment, an dem er wieder aufbrechen konnte.
»Départ«, sagte sie. Aufbruch.
»Assez vu. La vision s’est recontrée à tous le airs.
Assez eu. Rumeurs des villes, le soir, et au soleil, et toujours.
Assez connu. Les arrêts de la vie.«
Genug geschaut. Die Vision ist mir begegnet unter allen
Himmelsstrichen. Genug besessen. Getöse der Städte, am Abend, und in der Sonne, und immer. Genug gekannt. Die Augenblicke, in denen das Leben stillsteht.
François legte ihr einen Finger auf die Lippen und lächelte wieder.
»Den hatte ich ganz vergessen. Danke!«
Sie sah aus, als ob sie jeden Moment weinen würde, dann aber sprach sie davon, dass sie alles aufgeben wollte, die Praxis und die Patienten, sogar die Arbeit bei der Polizei.
»Tu’s nicht«, sagte er, »die brauchen uns. Ohne uns hätten die den Mörder doch bis heute nicht!«
Verwundert über sich selbst ließ er sich auf die Sitzbank fallen und zündete sich eine Zigarette an. Er wusste nicht, wohin ihn seine Gedanken führen sollten, und ob es wohl gut war, etwas zu sagen, für das sich keine Worte finden ließen. Er wollte ihr danken, etwas erklären.
»Ich hab auch was von dir«, sagte er stattdessen, verstummte dann aber.
»Wir müssen wieder an den Anfang zurück«, sagte sie, als würde sie seine Gedanken lesen können. Dann war der Moment vorbei.
Ihr Handy läutete.
Er hörte noch, wie sie den Namen Georg aussprach, wie sie sich für etwas entschuldigte und wie die Schiebetür wieder ins Schloss fiel. Draußen auf dem Gang bewegten sich ihre Lippen, und er sah, wie sie ihm durch das Glas, das sie trennte, verschwörerisch zulächelte. Dann plötzlich war sie verschwunden.
François stand auf und wollte sie aufhalten.
Aber Sarah war schon auf dem Bahnsteig.
Als er das Fenster herunterschob, sah sie ihn wieder so an. Sie war eine einzige große Frage, die er nicht hören, aber doch verstehen konnte. Ihr blasses, erschöpftes Gesicht, dieses kurze Haar, das dünne Kostüm. Sie zitterte. Aber er widerstand dem Versuch, jetzt den Zug zu verlassen und seine Stirn an ihre zu legen, nur um zu antworten.
Sie erwiderte seinen Blick, schüttelte aber unmerklich den Kopf.
»Was denkst du?«, fragte François und ließ sich den eisigen Wind um die Nase wehen. »Sag’s!« Dann streckte er die Hand nach ihr aus.
»Dass wir uns Wiedersehen.«
Dabei drückte sie seine Finger so fest, dass ihm die Knochen weh taten. Plötzlich ließ sie los.
Er öffnete den Mund, wollte noch etwas sagen, doch sie drehte sich um und ging mit einer Entschiedenheit davon, die ihn ratlos zurückließ. Lange noch sah er ihr nach. Erst als er sie nicht mehr erkennen konnte, schloss er das Fenster und fingerte Rimbaud aus der Tasche.
Les arrêts de la vie.
Danksagung
Ganz herzlichen Dank an meine langjährige Freundin Dr. Imke Wulfmeyer. Mit der Gabe, sich in meine Welten einzufühlen, hat sie in diesem Buch Spannung kalkuliert und dramaturgische Bögen geführt, obwohl sie als Rechtsanwältin, Mutter und Physikerin in geheimer Mission genug andere Dinge zu tun hat.
Und wie hätte ich eine Zeile schreiben können ohne Agnieszka Franczyk, die sich voller Liebe meinen beiden kleinen Söhnen widmet und mir seit Jahren treu zur Seite steht.
Sehr großzügig und freundschaftlich war Walter Hoffmann, Psychoanalytiker in Wien, für mich da, den ich jederzeit um Rat und Unterstützung für dieses Buch bitten konnte.
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