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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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und Anstrengung erforderte, das gehörte einfach zusammen, so wie Tod und Weinen und Liebe und rote Rosen. Solche Gedanken hatte Henning oft, wenn sich die erste Flasche Feierabendbier ihrem Ende zuneigte. Er stellte sie auf dem Bordstein ab und zog die Liste doch hervor. Er hatte sich streng daran gehalten, wie Sofi und die junge Polizistin die Büchereimitglieder in einer Rangliste sortiert hatten, mit abfallender Wahrscheinlichkeit. Alles Wahrscheinliche hatte im Laufe des Tages ein Häkchen bekommen, das ›erledigt‹ bedeutete. Es besaßen also nur noch die Unwahrscheinlichen eine intakte Wohnungstür, und jetzt erkannte Henning den Denkfehler. Die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis war entweder null oder eins, und nicht, wie man es in der Schule lernte, meist irgendwo dazwischen. Wenn man sich die Wahrscheinlichkeitsrechnung in den Hintern steckte, dann war die Welt eine einzige Beschilderung. Es gab zwei Spuren, die hierher nach Skarpnäck führten, zwei voneinander unabhängige Spuren. Das Buchexemplar in der Bücherei und der Roman, der von der Häuserreihe handelte, vor der er gerade stand. Wir müssen weitermachen, dachte Henning und griff nach seiner Flasche.
    Per deutete auf eine Gestalt, die sich aus der tief stehenden Sonnenscheibe herauslöste und auf dem Bürgersteig des Horisontvägens auf sie zusteuerte. Die Gestalt gewann an Kontur und blieb direkt vor ihnen stehen.
    »Ich hab mich mal selbst zur Führerin ernannt, weil ich ja gestern schon mit Sofi zusammengearbeitet habe. Wir haben jetzt an alle Anwohner die Zettel verteilt, aber es gab keine Rückmeldung.«
    »Wer bist du überhaupt?«, fragte Per.
    »Hallo! Theresa Julander.« Theresa machte einen Schritt auf Per zu, der sich auf die Laderampe gesetzt hatte, und streckte ihm die Hand entgegen.
    Henning kannte Per Arrelöv seit achtzehn Jahren und konnte sich nicht erinnern, dass er schon mal jemandem die Hand gegeben hatte.
    »Und wie sieht’s bei euch aus?«
    »Sag mal, Theresa, wie viel ist eins plus eins?«
    »Zwei«, sagte Theresa, und man sah, dass sie sich mit der Frage beschäftigt hatte. Sie hatte wirklich gerechnet. Wäre kein schlechter Einstellungstest für Polizisten, dachte sich Henning. »Was ihr als wahrscheinlich eingestuft habt, hat sich als Niete erwiesen.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt sind nur noch die Pensionäre übrig. Ganz oben auf der Liste steht Bertold Schyman.«
    Theresa stellte sich neben Henning und streichelte dabei versehentlich seine Schulter mit ihren Goldlocken. »Das ist der Deutschlehrer. Wir haben gestern geklingelt, aber da macht keiner auf. Das ist gleich da vorne.«
    »Wie alt ist der denn?«, wollte Per wissen.
    »Dreiundachtzig«, antwortete Theresa. »Er ist nach dem Krieg nach Schweden gekommen und hat seinen Namen bei der Einbürgerung von Schumann zu Schyman verschwedischt.«
    Per pustete Luft aus und wischte sich über die Stirn.
    »Von den Verbleibenden hatte er das Buch als Letzter«, bemerkte Henning. »In der Reihenfolge wäre er also der Nächste.«
    »Lasst uns doch einfach noch mal hingehen«, schlug Theresa vor.
    »Dann aber gleich, bevor ich abkühle«, fand Per. Er holte seine beiden Koffer von der Ladefläche und schlug die Flügeltür zu.
    Theresa schritt entschlossen voran.
    »Also, Qualitäten als Führer hat sie ja, das muss man ihr lassen«, flüsterte Per. »Stell dir vor, du bist mit so einer verheiratet.«
    »Ich war mit so einer verheiratet«, sagte Henning in normaler Lautstärke.
    Theresa öffnete. Anscheinend kannte sie alle Türcodes. Oben an der Tür klingelten sie vergeblich. Komisch, dachte Henning, dass ein Dreiundachtzigjähriger an zwei aufeinanderfolgenden Abenden nicht zu Hause war. Aus der Nachbarwohnung drang laute Musik. Er schickte Theresa hinunter, damit sie in den Briefkasten sah. Henning klingelte an der Nachbartür. Die klassische Musik war so laut, dass man drinnen die Klingel bestimmt nicht hörte. Henning schlug ein bisschen mit der Faust gegen die Tür.
    »Totenmesse von Campra«, murmelte Per.
    »Die Musik?«
    Per nickte. »Französischer Barockkomponist.«
    Per erkannte so gut wie alle Musiktitel, weil er die Samstagabende immer vor dem Fernseher verbrachte und nach fünf Gläsern wirklich jede Telefonnummer anrief, die eingeblendet wurde. Die Schnäppchen »Best of Barock« und »Ruhige Favoriten« umfassten jeweils zwanzig CDs. Pachelbels Canon in D-Dur in der Elektrogitarrenversion war der Grund, warum niemand gerne im Transit mitfuhr. Aber Per

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