Last Date
Prolog
Kalte Nässe kroch ihm jetzt langsam die Glieder h inauf. Wenn er vorher gewusst hätte, wie lange es dauern würde, hätte er sich mit Sicherheit wärmer angezogen. Aber hatte er überhaupt eine Wahl gehabt? Es musste doch alles so schnell gehen.
Jetzt und hier spielte das keine Rolle mehr. Die Dunkelheit war nun sein einziger Begleiter. Die Bäume und Sträucher waren schon da und würden es auch bleiben. An manchen war er einmal, an anderen zweimal hängengeblieben, auf dem Weg vom Auto zu jener Stelle, an der er jetzt stand und im schwachen Licht des halben Mondes mit einem Auge sein vollendetes Werk betrachtete. So lange er körperlich beschäftigt gewesen war, hatte er die Kälte dieser Nacht nicht gespürt. Doch das änderte sich jetzt schlagartig. Er wischte sich mit seiner zitternden Hand unter dem rechten Auge entlang und spürte erneut die Feuchtigkeit, die sich darunter gesammelt hatte. Er wusste nicht wie oft er das in den letzten Stunden schon getan hatte, hoffte aber, dass es irgendwann aufhören würde. Dann sah er sich seine Hand an und wischte das warme, mit Tränenflüssigkeit angereicherte Blut, an seinem schweißgetränkten T-Shirt ab. Mit aufeinander gepressten Zähnen registrierte er den wieder einsetzenden Schmerz, verursacht durch die tiefe Schnittwunde und stellte mit Unbehagen fest, dass er auf diesem Auge kaum noch hell von dunkel unterscheiden konnte. Mit einem Anflug von Angst, dass die Ärzte die Sehkraft seines rechten Auges eventuell nicht mehr zu 100% retten könnten, konzentrierte er sich darauf, die Sache hier endlich abzuschließen.
So kurz wie möglich ließ er den Lichtstrahl seiner Taschenlampe über den matschigen Waldboden gleiten, sammelte behände die umherliegende Kleidung zusammen und steckte sie in den mitgebrachten Plastiksack. Warum hatte er die Beiden überhaupt ausgezogen? Er wusste es nicht mehr. Aber er war sich sicher, extra den Sack dafür mitgebracht zu haben.
Die Schmerzen im und unter seinem Auge wurden jetzt immer heftiger. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
Er betrachtete n och einmal kurz die Stelle, die er eben mit Erde wieder bedeckt hatte, konnte keinen großen Unterschied zum restlichen Waldboden entdecken und schaltete, zufrieden mit seiner Arbeit, die Taschenlampe aus.
Dann nahm er die Schaufel vom Boden auf , drehte sich um, und suchte nach der schwachen Lichtquelle der Innenbeleuchtung seines Mercedes, die er eingeschaltet hatte, um den im Schutz des Waldes abgestellten Wagen im Dunkeln leichter zu finden. Trotz seines hohen Blutverlustes, den mittlerweile fast unerträglich gewordenen Schmerzen und der Tatsache, dass er jetzt gar nichts mehr auf seinem rechten Auge sah, pfiff er leise vor sich hin, obwohl ihm auf den letzten Metern Äste und Wurzeln den Weg erschwerten, und er mehrere Male stolperte, zweimal sogar fast zu Boden ging.
Bevor er zur Notaufnahme ins Krankenhaus fahren würde, musste er erst noch alle Spuren in der Wohnung beseitigen. Aber auch das sollte jetzt kein Problem mehr darstellen, nicht nach diesem Abend.
Obwohl , wenn er genauer darüber nachdachte, hätte er gerne seine Schwester gebeten, ihm zu helfen.
Erneut wischte er sich die Nässe unter dem Auge weg und dachte kurz daran, w as wohl seine Mutter sagen würde, wenn sie ihn jetzt sehen könnte.
Drei Wochen später
Kassel
Sonntag, 08:32 Uhr
Schon von Weitem war das tiefe Summen der Motoren zu hören, als die beiden schwarzen Ducati 1100 Monster mit weit über 200 km/h über die Bundesstraße Richtung Hannoversch Münden schossen. Die Sonne war bereits aufgegangen, die Straßen leer und keine Wolke am Himmel zu sehen – genau das richtige Wetter zum Motorradfahren.
Als Adrian an seinem Freund Leon in einer lang gezogenen Linkskurve innen vorbeifahren wollte, spürte er, als beide auf gleicher Höhe waren, wie sein Hinterrad den Grip verlor und seine Maschine ins Rutschen kam. Blitzschnell zog er die Kupplung, richtete sich ein wenig auf, um die Ducati wieder unter Kontrolle zu bekommen, und ließ sich nur wenige Zentimeter hinter Leons Hinterrad ein wenig in der Kurve nach außen tragen, um dann wieder Gas zu geben und seinem Freund weiter zu folgen. Trotz des hohen Tempos blieb er nur wenige Meter hinter ihm, bis die Hinweisschilder auf einen Parkplatz in Sicht kamen. Er betätigte den Blinker, drehte den Gasgriff zurück und richtete sich ein wenig auf.
Es dauerte nur einen winzigen Augenblick bis Leon seinen Freund im Rückspiegel zurückfallen sah,
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