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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Anscheinend blieb sie ihrem Image immer treu. Auch die Bettwäsche war rot und schwarz, und über dem Bett hing ein Poster mit zwei jungen Frauen, die es an Härte mit Amelie aufnehmen konnten.
    »Schlag zurück«, las Linda laut und zackig den Slogan darauf. Sie kapierte jedoch nicht, gegen wen die vierte Schwesternschaft zurückschlagen wollte, und trat hinaus in den Flur. Amelie hatte noch den Hörer am Ohr und blickte so eigenartig, dass Linda gleich in die Küche weiterging, um nach den Nudeln zu sehen. »Auf keinen Fall«, hörte sie Amelies Stimme. »Das ist mir zu gefährlich. Götgatan 124, Vierter Stock, letzte Wohnung. 4193.«
    Linda goss die Nudeln in das Sieb im Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf.
    Beim Essen erzählte Linda, wie sie sich bei Fornell beworben hatte. Im Anschluss lachte Amelie laut. Darauf war Linda gar nicht vorbereitet, dass Amelie so lachen konnte. Ohne zu wissen, was daran so lustig war, ließ sie sich anstecken.
    »Hast du mal auf die Internetseite der Akademie geschaut?«
    Linda konnte auf Anhieb gar nicht sagen, wann sie zum letzten Mal überhaupt auf eine Internetseite geschaut hatte, und kam sich blöd vor.
    »Du musst deine Bewerbungsmappe zusammen mit den Anträgen und Zeugnissen und deinem Lebenslauf zu einem gewissen Termin ans Sekretariat schicken. Dann hängen sie die Bilder auf, und eine Jury entscheidet schließlich, wer aufgenommen wird. Amelie erzählte Geschichten von der Bewerbungswoche, die lustig klangen, aber nicht gerade ermutigten. Eine abgelehnte Bewerberin war gekommen, hatte ihre Bilder zerrissen und die Jury angeschrien: »Ihr seid richtige Säue! Am besten wäre es, wenn ihr euch einer nach dem anderen aufhängt! Ihr könnt Scheiße nicht mal von Kunst unterscheiden, wenn man ein Schild draufklebt.«
    »Hej!«, hatte Linda auf einen kleinen Zettel geschrieben, sie hoffe, dass Fornell die Bilder gefielen, und ihm alles in sein Büro geschickt, ohne sich Gedanken zu machen. Fornell hatte noch in derselben Woche angerufen.
    »Normalerweise bringt er solche Mappen gleich zum Müllschlucker«, behauptete Amelie.
    »Dann hab ich ja Glück gehabt! Das war mir überhaupt nicht klar.«
    »Das darfst du nie denken. Mit Glück hat das überhaupt nichts zu tun.«
    Linda wollte gerade beginnen, über diese Bemerkung nachzudenken, als es draußen krachte. Sie sah Amelie zusammenzucken.
    »War das hier im Haus?«, fragte Amelie und stürmte zum Fenster.
    »Nur in der Nähe, glaub ich. Am Stadthaus vielleicht.«
    Amelie schaltete das Licht aus. Sie warteten auf den nächsten Blitz. Er kam bald und leuchtete das ganze Zimmer aus. Der Donner erschallte im selben Augenblick.
    »Natürlich ist das hier. Genau über uns! Ich …«
    Den Rest verstand Linda nicht. Regen trommelte gegen die Fenster. Linda blickte einige Sekunden zur Scheibe, dann schrie sie auf.
    »Was ist?«, fragte Amelie. »Hast du Angst?«
    »Ich hab meine Matratze und meine Decke auf dem Balkon vergessen!«
    »Na, die kannst du vergessen.«
    »Brauchst keine Angst haben, Emmi!«, Barbro hielt ihre Tochter im Arm. Gemeinsam standen sie am Fenster und beobachteten, wie Wind und Regen immer wieder die Richtung wechselten.
    »Ängstlich wirkt sie aber nun nicht«, brummte Henning, ohne vom Weltkartenpuzzle auf dem Tisch aufzublicken. Der erste Teilerfolg stand unmittelbar bevor, der Antarktisküste fehlte nur noch ein Teilchen. Henning hatte also wirklich Wichtigeres zu tun, als sich ein Gewitter anzuschauen.
    Barbro setzte sich wieder auf ihren Stuhl und nahm Emmi auf ihren Schoß. An Schlafen war bei ihr vorerst nicht zu denken. Ihre Aufmerksamkeit galt jetzt ganz und gar dem Puzzle, oder besser der Frage, wie sie es zerstören konnte. Sie begann zu zappeln, und Barbro legte das Puzzleteilchen genervt wieder auf die Tischplatte zurück. Stattdessen griff sie nach ihrem Mobiltelefon.
    »Wie oft hast du es heute schon probiert?«, fragte Henning.
    »Hundert Mal.«
    Barbro ließ es tuten.
    »Gib’s auf.«
    Es knackte in der Leitung.
    »Oskar?«

18
    Samstag, 4. August
    Um acht Uhr öffnete Kjell das Fenster des Besprechungsraums. Erst vor einer Viertelstunde hatte es aufgehört zu regnen. Die feuchte Luft mischte sich mit dem Kaffeeduft. Das Zimmer übertraf die anderen Räume der Gruppe an Größe. Aber es enthielt nicht mehr als eine Junggesellenküche und den Tisch. Als einziger Schmuck hing ein gerahmtes Titelblatt der Broschüre »Hallo Polizeiaspirant! Teil 2« an der Wand, für das man Sofi in der

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