Die Falsche Tote
Deutscher. Für diese vier wollen wir eine Genehmigung beantragen.«
Kjell nickte. »Henning soll das machen, die Anträge und die Öffnung. Du und ich, wir beide sind morgen im Fernsehen.«
Sofi sah Kjell erschrocken an. Dass sie in der Zeitung war, hatte ihr schon gereicht. Sie war gleich rot geworden.
»Wir halten es für das Richtige. Die Polizeileitung will, dass du auch auftrittst, weil du ja auch in der Zeitung bist. Als lebendiges Dementi also.«
»Muss ich etwas sagen?«
»Wenn du gefragt wirst, kannst du antworten. So einfach ist das.«
»Was sagen wir überhaupt?«
»Das beschließe ich kurz vor der Pressekonferenz mit Sten und Rosenfeldt. Stens Überlegung lautet, dass Josefin entweder tot oder entführt ist. Da es bisher kein Lebenszeichen gibt, will er die Tatsache ihres Verschwindens veröffentlichen.«
»Und du? Willst du das auch?«
»Ich weiß es nicht. Henning ist dagegen.« Henning nickte, aß aber weiter. »Er hat so ein Bauchgefühl, sagte er.«
Henning nickte und deutete mit der Gabel auf seinen Bauch.
Sofi stellte sich den Ablauf der Pressekonferenz laut vor. »Ihr werdet doch auf jeden Fall Antworten auf operative Fragen geben müssen! Und wenn ihr nichts sagt, geben sich die Journalisten die Antwort selbst. So einfach ist das!«
Kjell hob an, um ihr etwas entgegenzusetzen, obwohl er das gar nicht wollte. Das Telefon kam ihm zuhilfe. Es läutete im Nebenraum. Sofi erhob sich, aber Kjell bedeutete ihr, sitzen zu bleiben und weiterzuessen, und ging selbst hinüber. Es war Hennings Apparat.
»Hallo?«, fragte eine Frauenstimme. Sie klang leise und ängstlich.
»Hier ist die Reichskriminalpolizei«, sagte Kjell und nannte seinen Namen.
»Das Mädchen in der Zeitung, das ist dieselbe wie auf der Zeichnung, die ihr über die Schwesternschaft verteilen lasst, oder?«
»Ja«, antwortete Kjell ruhig und beglückwünschte sich zu seinem Deal mit Amelie.
»Ich bin Saga Isaksson. Ich kenne das Mädchen. Ich habe sie vor Kurzem getroffen. Ihr Name ist Klara.«
III
ΠΑΘΟΣ
Klage
59
Sie hatten sich verschätzt, ganz grob sogar. Saga Isaksson wand sich in Hennings Armen. Sie begann zu würgen, und alle stellten sich darauf ein, dass sie sich auf die Tischplatte übergeben würde. Sofi stürzte zur Tür hinaus und rannte den Gang hinunter.
Stark, zielsicher und auf alles gefasst war die Achtzehnjährige zur Tat geschritten. Jedenfalls hatten sie ihr diesen Auftritt abgenommen. Keiner der vier hatte eine solche Reaktion auf den Anblick der Fotos der Toten erwartet, wo sie doch zur harmlosen Sorte gehörten. Die spasmischen Zuckungen erwiesen sich als Weinkrampf, das Würgen hatte nur einige Sekunden gedauert. Henning löste seine Umschlingung, unter der Saga für einige Momente ganz verschwunden war. Sie blieb angespannt sitzen, ihren Rücken durchgedrückt.
Man lernt nie aus, schwirrte es in Kjells Kopf herum, ohne dass er den abgenutzten Gedanken wirklich dachte. Henning wich zurück und stieß sich auf der Suche nach Orientierung mit dem Hintern gegen die Wand. Barbro rückte sich einen Stuhl direkt neben das Mädchen, dessen Augen verrieten, dass sie zur Besinnung kam und sich über ihren Ausbruch genauso wunderte wie die Polizisten.
Sofi brauchte zehn Minuten, um die Hausschwester aus dem Zellentrakt in einem entfernten Gebäude herbeizuholen. Sie untersuchte zuerst Sagas Pupillen und maß zugleich ihren Puls. Dann sagte sie einige Worte, um Kontakt mit Saga aufzunehmen. Sie antwortete klar. Kjell hatte noch nie ein so weißes Gesicht gesehen. Er ging hinüber zu Sofis Schreibtisch. Die Berliner Mauer war gefallen. Das konnte selbst Sofi unmöglich alles gegessen haben. In der Schublade fand er den Rest.
Zu seiner Erleichterung wollte Saga sofort hineinbeißen. Die Schwester hatte ihr eine Spritze verpasst und bestand darauf, dass Saga die Möglichkeit erhielt, sich für einige Minuten hinzulegen und zur Ruhe zu kommen.
Kjell gab Henning einen Klaps, weil der immer noch konsterniert mit dem Hintern an der Wand klebte. Junge Damen in Not waren eines der beiden einzigen Dinge, die Henning einer rokokohaften Ohnmacht nahebringen konnten.
Nach einer halben Stunde sah Saga keinen Sinn mehr im Daliegen. Sie nahm wieder am Tisch Platz und schien sich zu schämen.
»Sie ist es also?«, fragte Kjell.
Saga nickte und nippte ohne Unterlass an ihrem Wasserglas.
»Wir haben uns nur einmal gesehen. Aber das ist noch gar nicht so lange her! Ich verstehe gar nicht …«
»Einmal
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