Die Falsche Tote
nur?«
Saga leerte ihr Glas und schluckte laut. Von dem Anfall waren ihr offenbar Halsschmerzen zurückgeblieben. Barbro füllte ihr immer wieder nach.
»Sie rief aus heiterem Himmel auf meinem Mobiltelefon an. Ich war gerade bei meinem Freund in Liseberg. Sie wollte sich mit mir treffen, und zwar noch an jenem Nachmittag. Es klang, als wäre sie gerade in der Stadt und sonst nicht.«
»Entschuldigung«, fragte Barbro. »Wann war das?«
»Kann ich einen Kalender haben? Es war auf jeden Fall ein Freitag.«
Barbro holte den Wandkalender aus ihrem Büro. An den fehlenden Ecken sah man, dass sie ihn mit einem Wisch von der Wand gerissen haben musste.
Sagas Augen flogen über den Juli. »Hier, es muss der sechste gewesen sein. Der sechste. Sie hat gegen zwei angerufen.«
»Ihr kanntet euch also vorher gar nicht?
Sie nickte. »Ich wollte erst nicht. Von Liseberg bis in die Innenstadt ist es ja ein ganz schönes Stück.«
»Ich verstehe nicht ganz«, unterbrach Kjell. »Da ruft eine völlig Fremde bei dir an und fragt dich, ob ihr euch sofort treffen wollt. Und du fährst daraufhin in die Stadt.«
Saga wirkte ein wenig verlegen. »Ich bin ja die Vorsitzende der Jungsozis in Stockholm-Stadt. Das ist also nicht sooo ungewöhnlich, dass mich Fremde anrufen. Sie klang auch, als hätte ihr jemand meine Nummer gegeben. Über mich schien sie nicht viel zu wissen.«
»Hast du sie gefragt, woher sie dich kennt?«
»Ich glaubte nicht. Das war, weil sie direkt auf die Sache zu sprechen kam. ›Saga Isaksson vom Frauenausschuss‹ hat sie gesagt. Als ob sie es abläse. Und dann meinte sie, sie müsse mich etwas Wichtiges fragen, ob wir uns sehen könnten. Jetzt gleich sollte es sein, sie sei in der Stadt. Genauer gesagt in Östermalm. Viel mehr haben wir bei dem Telefonat nicht gesprochen. Ihre Stimme klang nur so ernst, oder eher besorgt und ängstlich. Ich weiß nicht genau, aber eigentlich war es ihr Klang, weswegen ich eingewilligt habe.«
Saga legte die Hände in den Schoß. Äußerlich glich sie einer gewöhnlichen Achtzehnjährigen, mit dunkelblondem Haar und blauen Augen, die sehr erwachsen blickten.
»Also bist du hingefahren«, kurbelte Kjell die Erzählung wieder an.
»Wir haben uns in einem Café in der Sturegatan getroffen. Sie kam ein wenig zu spät, das heißt, sie kam in vollem Tempo angerannt. Ich habe sie durch das Fenster gesehen, und als sie vor mir stand, war sie nicht mal außer Atem. Ihre Haare waren hier noch ganz feucht, hier hinten. Und irgendwie ist dann herausgekommen, dass sie beim Friseur gewesen ist. Es hatte wohl länger gedauert, als sie erwartet hatte.«
Sofi grinste Kjell mit gebleckten Zähnen an. Er streckte anerkennend den Daumen in die Höhe.
Den Namen des Friseurs wusste Saga leider nicht, auch an den Namen des Cafés konnte sie sich nicht mehr erinnern.
»Sie kam aber auf der Sturegatan von Norden her. Die ist bestimmt von dort gelaufen, weil ihre Arme und ihre Stirn so geglänzt haben. Denn der Bus hält ja direkt vor dem Café.«
»Was wollte sie denn von dir?«
»Ich war erst total sauer, aber das habe ich ihr nicht gezeigt. Irgendetwas war mit ihr. Ich habe das ganze Wochenende überlegt, was das sein könnte. Sie wollte von mir etwas über Zwangsprostituierte wissen, so ganz allgemein! Ich war erst sauer, es gibt ja Bücher oder das Internet. Aber sie schien wirklich nichts darüber zu wissen.«
»Oh«, sagte Barbro. »Eigentlich war eine unserer Theorien, dass sie selbst so einen Hintergrund hat.«
»Genau das habe ich mir auch überlegt«, antwortete Saga. »Weil sie ganz komisch dasaß, während sie mir zuhörte.«
»Sprach sie akzentfrei Schwedisch?«, wollte Sofi wissen.
Saga nickte und blickte interessiert in die Runde. »Sie sprach gut Schwedisch, aber gesagt hat sie ja nicht viel. Sie sprach ohne Fehler und ohne Akzent, aber etwas hat gefehlt. Sie sagte zum Beispiel nie wie wir dauernd ›faktisch‹ oder ›genau‹. Aber dafür hat sie so typische Wendungen gekannt, die Ausländer falsch machen.«
»Also klang sie nicht nach südlichen Vororten? Äußerlich könnte sie ja gut Einwanderin sein.«
»Im Gegenteil. Eigentlich hat sie feinstes Reichsschwedisch gesprochen, völlig slangfrei.«
»Welchen Eindruck hattest du von ihr als Mensch?«, fragte Barbro. »Du hast ja gesagt, etwas sei komisch an ihr gewesen.«
»Erst dachte ich, sie ist so ein reiches NK-Mädchen, obwohl sie ganz normale Sachen anhatte, Jeans und ein langärmliges T-Shirt, aber wenn sie
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