Die Familie ohne Namen
Nachsuchungen vornahm.
Johann hatte keine Mühe, Herrn de Vaudreuil und seine Tochter zu überzeugen. Auch Bridget billigte den Plan. Leider konnte man nicht daran denken, dieselbe Nacht aufzubrechen. Erst mit Tagesanbruch sollte Bridget ein Gefährt zu erlangen suchen, und im Laufe der nächsten Nacht der Vorschlag zur Ausführung kommen.
Der Tag brach an. Bridget hielt es für besser, ganz offen zu Werke zu gehen. Niemand würde es ja auffallend finden, daß sie sich entschlossen hätte, den Schauplatz des Aufstandes zu verlassen. Schon war eine große Anzahl Einwohner entflohen, und ein gleicher Entschluß ihrerseits konnte Niemand verwundern.
Zuerst war es ihre Absicht gewesen, Herrn de Vaudreuil, Clary und Johann nicht zu begleiten. Ihr Sohn gab ihr aber zu erwägen, daß, wenn sie ihre Abreise einmal angemeldet, ihre Nachbarn, sobald diese sie noch immer sähen, auf die Vermuthung kommen müßten, daß der entliehene Wagen nur einem im geschlossenen Hause versteckt gewesenen Patrioten gedient haben werde, daß auch die Polizeibeamten das schließlich hören würden, und daß sie, im eigenen Interesse wie in dem des Herrn de Vaudreuil, keine Veranlassung geben dürfe, eine Untersuchung hierüber anzustellen.
Bridget mußte sich diesen drei schwerwiegenden Gründen fügen. Wenn die unruhige Zeit vorüber war, wollte sie dann nach St. Charles zurückkehren und hoffte ihr trauriges Leben im Innern des Hauses, das sie niemals hatte verlassen wollen, einst zu beendigen.
Nach endgiltiger Lösung dieser Fragen beschäftigte sich Bridget mit der Beschaffung eines Transportmittels. Wäre es auch nur ein leichter Planwagen, so mußte ein solcher hinreichen, bis zur Grafschaft Laprairie zu gelangen, welche die königlichen Truppen vorläufig noch nicht bedrohten. Am frühen Morgen machte sich dann Bridget schon auf. Sie war zur Miethung, oder vielmehr zur Beschaffung eines Wagens hinlänglich mit Geld versehen, welches Herr de Vaudreuil zu diesem Zwecke gegeben hatte.
Während ihrer Abwesenheit entfernten sich Johann und Clary nicht aus dem Zimmer des Herrn de Vaudreuil. Dieser hatte seine ganze Energie wieder gewonnen.
Gegenüber der Anstrengung, die es ihm kosten mußte, die Fahrt auszuhalten, fühlte er, daß es ihm an physischer Kraft nicht fehlen werde. Schon hatte eine Art Reaction seinen Zustand merkbar verändert. Trotz noch andauernder großer Schwäche, war er bereit, sich zu erheben, bereit, vom Bette aus sich auf den Weg zu begeben, wenn der Augenblick kam, das geschlossene Haus zu verlassen. Er stand für sich ein – wenigstens für einige Stunden. Das Weitere blieb dann Gott anheimgestellt. Doch kümmerte er sich um nichts weiter, hatte er nur seine Kampfgenossen wiedergesehen, seine Tochter in Sicherheit bringen können, und wußte er nur, daß sich Johann inmitten der zu einer letzten Anstrengung entschlossenen französischen Canadier befand.
Ja, der Aufbruch drängte. Was wäre aus Fräulein de Vaudreuil im geschlossenen Hause geworden, wenn ihr Vater seinen Wunden erlag, wenn sie dann allein stand in der Welt und nur diese bejahrte Frau zur Stütze hatte? An der Grenze, in Swanton oder in Plattsburg, mußte er seine Waffenbrüder, seine vertrauten Freunde finden. Und unter diesen war besonders Einer, dessen Gefühle Herr de Vaudreuil billigte. Er wußte, daß Vincent Hodge seine Clary liebte, und Clary würde sich nicht weigern, die Gattin Desjenigen zu werden, der sein Leben gewagt hatte, sie zu retten. Welchem edelmüthigeren, welchem aufrichtigeren Patrioten hätte sie wohl ihre Zukunft anvertrauen können? Er war ihrer ebenso würdig, wie sie seiner.
Mit Gottes Hilfe hoffte Herr de Vaudreuil die Kraft zu haben, sein Ziel zu erreichen. Er dachte nicht zu erliegen, ehe er nicht den Fuß auf amerikanische Erde gesetzt, wo die Ueberlebenden der Reformerpartei den Augenblick zur Wiederergreifung der Waffen erwarteten.
Das waren die Gedanken, welche Herrn de Vaudreuil lebhaft erregten, während Johann und Clary, an seinem Bette sitzend, nur wenige Worte wechselten.
Von Zeit zu Zeit erhob sich Johann und trat an das Fenster, welches nach der Straße hinauszu lag und dessen Läden geschlossen waren. Dort lauschte er, ob sich etwa ein Geräusch auf der Straße in der Nähe des Fleckens vernehmen ließe.
Nach zweistündiger Abwesenheit kehrte Bridget nach dem geschlossenen Hause zurück. Sie hatte sich, um einen Wagen und ein Pferd zu erhalten, an mehrere Leute wenden müssen. Wie verabredet,
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