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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verheimlichen.
    Vielleicht fürchtete Bridget dasselbe, und Beide saßen, von den gleichen Gedanken verfolgt und einander verstehend, ohne ein Wort zu wechseln, schweigend bei dem Kranken.
    Gegen elfeinhalb Uhr erschallten drei kurze Schläge an der Thür des geschlossenen Hauses.
    »Ach, er!« rief das junge Mädchen.
    Bridget hatte das Zeichen erkannt; es mußte einer ihrer Söhne sein, der draußen war.
    Anfänglich glaubte sie, Joann werde es sein, den sie seit länger als zwei Monaten nicht wieder gesehen hatte. Clary hatte sich indessen nicht getäuscht und wiederholte:
    »Nein, er ist es… er… Johann!«
    Als die Thür sich öffnete, zeigte sich wirklich Johann, und dieser schritt eiligst über die Schwelle.
Fünftes Capitel.
Haussuchungen.
    Kaum hatte die Thür sich geschlossen, als Johann, das Ohr an deren Füllung gelegt, nach außerhalb lauschte. Mit der Hand machte er dabei ein Zeichen, daß seine Mutter und Clary kein Wort sprechen und sich ganz ruhig verhalten möchten.
    Und Bridget, welche schon ausrufen wollte: »Warum bist Du zurückgekommen, mein Sohn?« – Bridget schwieg.
    Draußen hörte man auf der Straße hin und her gehen. Zwischen einem halben Dutzend von Männern wurden abgebrochene Sätze gewechselt und jene hatten gerade in der Nähe des geschlossenen Hauses Halt gemacht.
    »Wohin ist er denn entwichen?
    – Hier hat er sich doch nicht verstecken können!
    – Er wird sich weiter oben in ein Haus geflüchtet haben.
    – Gewiß ist nur das Eine, daß er uns entwischt ist.
    – Und er hatte doch kaum hundert Schritte Vorsprung gegen uns.
    – Den Teufel auch, Johann ohne Namen verfehlt zu haben!
    – Und die sechstausend Piaster, die sein Kopf werth ist!«
    Als Bridget die Stimme des Mannes vernahm, der diese letzten Worte ausgesprochen, durchrieselte es sie wie ein kalter Schauer. Es erschien ihr, als erkenne sie die Stimme, und könne sie sich nur nicht genau erinnern…
    Johann dagegen hatte dieselbe erkannt und mit ihr den Mann, der ihn so hartnäckig verfolgte. Es war Rip, und wenn er das seiner Mutter nicht sagen wollte, so geschah es, um sie nicht an die schmerzliche Vergangenheit zu mahnen, die sich an diesen Namen knüpfte.
    Inzwischen war es wieder still geworden. Die Polizisten hatten ihren Weg fortgesetzt, ohne zu vermuthen, daß Johann sich habe in das geschlossene Haus flüchten können.
    Da wendete sich der junge Mann an seine Mutter und Clary, welche im Dunkel der Hausflur standen.
    In dem Augenblicke ließ sich auch, ehe Bridget noch eine Frage an ihren Sohn richtete, die Stimme des Herrn de Vaudreuil vernehmen.
    Johann, Clary und Bridget mußten sich sofort nach dem Zimmer des Herrn de Vaudreuil begeben, und tief erregt nahmen sie neben seinem Bette Platz.
    »Ich habe die Kraft, Alles zu hören, sagte Herr de Vaudreuil, und ich will Alles wissen!
    – Sie werden Alles erfahren!« antwortete Johann.
    Er lieferte ihnen dann folgenden Bericht, den Clary und Bridget ohne ihn zu unterbrechen anhörten.
    »In jener Nacht, wo ich das geschlossene Haus verließ, traf ich nach zwei Stunden in St. Denis ein. Dort fand ich noch einige Patrioten, die das letzte Unglück überlebt hatten, und Marchessault, Nelson, Cartier, Vincent Hodge, Farran und Clerc hatten sich diesen angeschlossen. Sie rüsteten sich zur Abwehr. Die Bevölkerung wünschte nichts mehr, als sie unterstützen zu können. Gestern aber hörten wir, daß Colborne von Sorel eine starke Abtheilung Reguläre und Freiwillige zur Plünderung und Niederbrennung der Flecken abgesendet habe. Diese Colonne traf im Laufe des Abends ein. Vergebens wollten wir ihr Widerstand entgegensetzen. Sie drangen in St. Denis, das die Bewohner verlassen mußten, ein. Mehr als fünfzig Häuser wurden durch die Flammen verzehrt. Dann sahen sich auch meine Kameraden genöthigt zu entfliehen, um nicht von den Henkern hingeschlachtet zu werden: sie wichen nach der Grenze hin aus, wo Papineau und Andere sie in Plattsburg, an der Rouse’s-Spitze oder in Swanton erwarteten. Jetzt überschwemmen nun die Soldaten Whiterall’s und Gore’s die Grafschaften im Süden des St. Lorenzo, brennend und sengend, bringen Frauen und Kinder an den Bettelstab und ersparen ihnen auch nicht die schlimmsten Gewaltthätigkeiten, die abscheulichste Schmach, während man ihre Spuren an dem Scheine der Feuersbrünste verfolgen könnte!… Das… das ist inzwischen geschehen, Herr de Vaudreuil, und doch verzweifle ich noch nicht, doch will ich an unserer Sache nicht

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