Die Familie ohne Namen
die Barke, welcher einige kleinere Kähne folgten, gegenüber der Terrasse angelangt.
Wieder erscholl ein Trompetenstoß, und jetzt konnten Herr de Vaudreuil und seine Freunde deutlich die Stimme vernehmen.
Johann betrieb auffällig das Gewerbe eines Fischers. (S. 103.)
Bekanntmachung des Lord-General-Gouverneurs der canadischen Provinzen
Am 3. September 1837.
»Es wird hiermit ein Preis ausgesetzt auf den Kopf des Johann ohne Namen, der in den Grafschaften des oberen St. Lorenzo sichtbar gewesen ist. Sechstausend Piaster werden Demjenigen zugesichert, der ihn verhaftet oder seine Verhaftung herbeiführt.
Im Namen des Lord Gosford
der Polizeiminister
Gilbert Argall.«
Hierauf setzte das Boot seine Fahrt fort und ließ sich von der Strömung des Flusses hinabtreiben.
Die Herren de Vaudreuil, Farran, Clerc, Vincent Hodge waren unbeweglich auf der Terrasse stehen geblieben, welche schon die tiefe Nacht umhüllte. Keine Bewegung entschlüpfte auch dem jungen Unbekannten, während die Stimme des Constablers jenen Inhalt der Bekanntmachung wiedergab. Nur das junge Mädchen hatte fast unbewußt sich ihm mit einigen Schritten genähert.
Herr de Vaudreuil war es, der zuerst wieder das Wort nahm.
»Wiederum ein Preis, der feilen Verräthern geboten wird! sagte er. Dieses Mal hoff’ ich, wird es nutzlos sein, dieses Mal wird sich der gute Ruf der canadischen Franzosen nicht wieder einen Schandfleck holen!
– Ja, es ist genug, es ist zuviel, daß man schon einmal einen Simon Morgaz gefunden hat! rief Vincent Hodge.
– Gott beschütze Johann ohne Namen!« flehte Clary mit tieferregter Stimme.
Jetzt trat einige Augenblicke Stillschweigen ein.
»Treten wir ein und begeben wir uns nach unseren Zimmern, sagte Herr de Vaudreuil. – Ich werde Ihnen ein solches zur Verfügung stellen, setzte er an den jungen Mann gewendet hinzu.
– Ich danke Ihnen, Herr de Baudreuil, antwortete der Unbekannte, doch es ist mir unmöglich, noch länger in diesem Hause zu bleiben…
– Und warum?…
– Als ich vor einer Stunde die mir von Ihnen gebotene Gastfreundschaft der Villa Montcalm annahm, befand ich mich nicht in der Lage, in welche mich jene öffentliche Bekanntmachung versetzt hat.
– Was wollen Sie damit sagen, mein Herr?
– Daß meine Anwesenheit Ihnen jetzt nur große Verlegenheiten bereiten könne, weil der General-Gouverneur einen Preis auf meinen Kopf gesetzt hat. Ich bin Johann ohne Namen!«
Nachdem der junge Mann sich verneigt, wendete er sich schon nach dem Steilufer zu, als Clary ihn noch an der Hand faßte.
»Bleiben Sie hier!« bat sie.
Sechstes Capitel
Der St. Lorenzo.
Das Thal des St. Lorenzo ist vielleicht eines der ausgedehntesten, welches geologische Vorgänge jemals in die Oberfläche der Erdkugel eingegraben haben. Humboldt schreibt ihm eine Größe von zweihundertsiebzigtausend (franz.) Quadratmeilen zu – d. h. eine solche, welche der von ganz Europa gleichkommt.
Der in seinem Verlaufe sehr launenhafte, mit Inseln besäte, von Stromschnellen unterbrochene und von Wasserfällen quer durchschnittene Strom zieht sich durch das ganze Thal hin, welches im eigentlichen Sinne das französische Canada bildet. Dieses Gebiet, in dem sich zuerst die Söhne des auswandernden Adels niederließen, ist heutzutage in Grafschaften und Bezirke eingetheilt. An der Mündung des St. Lorenzo, in der breiten Bai jenseits seiner Verzweigung, erheben sich der Madelaine-Archipel, die Insel des Cap Breton und des Prinzen Eduard, die große Insel Anticosti, welche die dem Aussehen nach so verschiedenen Küsten von Labrador, Neufundland, Acadien oder Neu-Schottland gegen die furchtbaren Stürme des Atlantischen Weltmeers schützen.
Erst Mitte April erfolgt hier gewöhnlich der Abgang des Eises, das sich während der langen und strengen Winterperiode des canadischen Klimas angesammelt hatte. Dann wird der St. Lorenzo schiffbar. Selbst Schiffe von großem Tonnengehalt können hinauf gelangen bis in die Gegend der Seen, jener Süßwassermeere, deren Kette sich durch das sagenumwobene Land hinzieht, das man so bezeichnend »Das Land Coopers« genannt hat. Zu dieser Jahreszeit belebt sich der Strom, in dem Ebbe und Fluth weit eindringen, wie eine Rhede, deren Blokade durch einen Friedensschluß aufgehoben wurde. Segelboote, große und kleinere Dampfschiffe, Holzflöße, Lootsenboote, Küstenfahrer, Fischerbarken, Lustyachten und Canots jeder Art gleiten über die Oberfläche seiner Gewässer, die endlich
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