Die Familie ohne Namen
wichtige Angelegenheit zu verhandeln. Ehe wir uns aber offen erklären, werden Sie es ganz natürlich finden, daß wir zu wissen wünschen, mit wem wir es zu thun haben.
– Sie würden unklug gewesen sein, meine Herren, wenn Sie diese Frage an mich unterlassen hätten, erwiderte der junge Mann, und von mir wäre es unverzeihlich, dieselbe nicht zu beantworten.«
Bei diesen Worten legte er ihnen einen Brief vor.
Dieser Brief unterrichtete Herrn de Vaudreuil von dem Besuche des Unbekannten, dem er und seine Gesinnungsgenossen unbedingtes Vertrauen schenken könnten, »auch wenn er seinen Namen nicht nannte«.
Unterzeichnet war das Schreiben von einem der Hauptopponenten im Parlamente, von dem Advocaten Grammont, dem Abgeordneten für Quebec, einem Manne, der mit Herrn de Vaudreuil in politischen Dingen ganz eines Sinnes war. Der Advocat Grammont fügte noch hinzu, daß Herr de Vaudreuil, im Falle jener Gast ihn um Unterkommen während einiger Tage ersuchen sollte, das im vollen Vertrauen und im Interesse ihrer Sache gewähren möge.
Herr de Vaudreuil übergab diesen Brief seiner Tochter, Clerc und Farran, dann sagte er:
»Mein Herr, Sie sind hier ganz zu Hause und können in der Villa Montcalm so lange bleiben, wie es Ihnen beliebt.
– Höchstens zwei Tage, Herr de Vaudreuil, erwiderte der junge Mann. In vier Tagen muß ich wieder mit meinen Genossen an der Mündung des St. Lorenzo zusammengetroffen sein; ich danke Ihnen jedoch für den wohlwollenden Empfang, und nun, meine Herren, bitte ich Sie, mich gefälligst anzuhören.«
Der Unbekannte nahm das Wort. Er sprach mit Sicherheit über den damaligen Zustand der Gemüther in den canadischen Provinzen, er zeigte, daß das Land bereit sei, sich gegen die Bedrückung seitens der Loyalisten und der Kronbeamten zu erheben. Diese Ueberzeugung schöpfte er aus eigener Erfahrung, als er zur Verbreitung reformatorischer Ideen während mehrerer Wochen die Grafschaften des oberen St. Lorenzo und des Ottawa durchzogen hatte. Nach wenigen Tagen beabsichtigte er zum letzten Male durch die Grafschaften des Ostens zu reisen, um die Elemente zur demnächstigen Empörung zu sammeln, einer Empörung, welche gleichzeitig von der Mündung des Stromes bis zum Gebiete von Ontario hin auflodern sollte. Einem solchen Massenaufstande würden weder Lord Gosford mit den Vertretern der Staatsgewalt, noch der General Colborne mit wenigen tausend Rothröcken – dem ganzen Truppenbestand in Canada – hinreichende Kräfte entgegensetzen können, und Canada – daran zweifelte er nicht – mußte sich endlich vom Joche seiner Unterdrücker befreien.
»Eine ihrer Heimat entrissene Provinz, setzte er hinzu, gleicht dem Kinde, das seiner Mutter geraubt ist. Das muß der Gegenstand der Zurückforderung ohne Waffenstillstand, des Kampfes ohne Gnade sein! So etwas läßt sich niemals vergessen!« Als er diese Verhältnisse erwähnte, sprach der Unbekannte mit einer Kaltblütigkeit, welche bewies, daß er stets und überall die Herrschaft über sich behielt. Dennoch fühlte man es, daß ein Feuer in seiner Seele lohte, daß seine Gedanken vom brennendsten Patriotismus erfüllt waren. Während er noch mehrere Einzelheiten über das, was er noch thun wollte, mittheilte, wandte Clary kein Auge von dem jungen Manne. Alles sagte ihr, daß hier ein Held vor ihr stehe, der in seinem Gedankenfluge die canadische Revolution verkörperte. Als die Herren de Vaudreuil, Vincent Hodge, Clerc und Farran so über seine Schritte unterrichtet waren, setzte er hinzu:
»Alle jene Parteigänger unserer Unabhängigkeit, meine Herren, brauchen aber einen Führer, und dieser Führer wird auferstehen, wenn die Stunde gekommen, an deren Spitze zu treten. Bis dahin erscheint es nothwendig, daß sich ein Actionscomité bildet, um die Einzelkräfte zusammenzufassen. Nehmen Sie, Herr de Vaudreuil, und Ihre Freunde es an, sich an diesem Comité zu betheiligen? Sie Alle haben ja schon in Ihren Familien oder persönlich für die nationale Sache gelitten. Diese Sache hat unseren besten Patrioten, Ihrem Vater, Vincent Hodge, wie Ihren Brüdern, William Clerc und André Farran, das Leben gekostet…
– In Folge des Verrathes eines Schurken, mein Herr! antwortete Vincent Hodge.
– Ja… eines Schurken«… wiederholte der junge Mann langsam.
Clary glaubte dabei eine eigenthümliche Wandlung seiner bis dahin so klaren Stimme zu bemerken.
»Indeß, fügte er hinzu, dieser Mann ist todt.
– Wissen Sie das bestimmt? fragte
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