Die Familie ohne Namen
dessen Focksegel gelöst war, bei, und man begann unter wenig Segeldruck und mäßiger Bewegung zu fischen.
Er befand sich hier inmitten einer prächtigen, von sorgfältig bebauten Feldern eingerahmten Bucht. Das cultivirte Land aber erstreckte sich nach Norden zu bis nach den ersten Wellenlinien der Laurentidenkette, und im Süden bis zu den Notre-Dame-Bergen, deren höchste Spitzen 1300 Fuß über die Meeresfläche aufragen.
Pierre Harcher und seine Brüder waren sehr geschickt in ihrer Arbeit, die sie stets auf dem Flusse übten. Inmitten der Stromschnellen und Barren von Montreal singen sie stets mittels Reißbündeln eine Menge Alsen (Maifische). In der Umgebung von Quebec dagegen erbeuteten sie Lachse und Forellen, welche zur Laichzeit die oberen, mehr süßen Gewässer aufsuchen. Es war nur sehr selten, daß ihre Fischzüge nicht recht ergiebig ausgefallen wären.
Johann gab mehr Geld zurück. (S. 106.)
An diesem Vormittage wimmelte es geradezu von Seeforellen, so daß die Netze mehrmals zu reißen drohten. Gegen zehn Uhr entfaltete der »Champlain« denn auch wieder seine Segel und steuerte nach Matane in südwestlicher Richtung dahin.
Es empfahl sich auch mehr, nach dem südlichen Ufer des Flusses zu gehen, im Norden sind nämlich Flecken und Dörfer sehr dünn gesät und die Bevölkerung der öden Gegenden nur sehr spärlich. Das Gelände hier besteht eigentlich nur aus einer Anhäufung chaotischer Felsenmassen. Mit Ausnahme des Saguenay-Thales, durch welches der St. Jean-See abfließt und das wirklichen Alluvialboden hat, ist der Boden sehr unfruchtbar, abgesehen von den reichen Wäldern, welche das Land in großem Umfange bedecken.
Im Süden des Flusses dehnt sich dagegen ein gesegneter Landstrich aus, der reiche Ernten liefert. Hier finden sich blühende Dorfschaften und wie schon erwähnt ein wirkliches Panorama von Wohnstätten, das von der Mündung des St. Lorenzo bis nach Quebec hinaufreicht. Fühlen sich Lustreisende auch von den malerischen Reizen des Saguenay-Thales oder von der Malbaie angelockt, so besuchen die canadischen und amerikanischen Badereisenden – vorzüglich diejenigen, welche die brennende Hitze Neu-Englands nach der frischeren Gegend des großen Stromes verjagt – mit Vorliebe dessen südliche Ufer.
Hier, und zwar zuerst auf dem Markte von Matane, war es, wo der »Champlain« seine Ausbeute von Fischen zum Verkauf bot. Johann und zwei der Brüder Harcher, Michel und Tony, gingen von Thür zu Thür, um ihren Fang anzubieten. Niemand konnte es da auffallen, wenn Johann in einem Hause länger verweilte, als es ein derartiger Handel wohl bedingte; daß er in die Wohnungen eintrat und einige Worte, nicht mit den Dienstleuten, sondern mit dem Hausherrn wechselte. Ebenso konnte es ja kein Mensch bemerken, daß er in mancher mehr bescheidenen Wohnung zuweilen mehr Geld zurückgab, als seine Kameraden für ihre Waare lösen konnten.
So ging das mehrere Tage fort inmitten der Flecken des südlichen Ufers, in Rimouski, in Bic und Trois-Pistoles, wie auf dem Strand bei Caconna, einem damals bevorzugten Badeorte am St. Lorenzo.
In Rivière-Du-Loup – einer kleinen Stadt, wo Johann am Morgen des 17. September verweilte – untersuchten die mit der Ueberwachung des Stromes besonders beauftragten Beamten auch den »Champlain«, doch verlief Alles aufs Beste. Schon seit mehreren Jahren war Johanns Name in die Schiffspapiere des Kutters eingetragen, so als wäre er einer der Söhne Harcher’s. Niemals vermuthete deshalb auch die Polizei, daß sich in der Kleidung eines canadischen Fischers der Verbannte verbarg, dessen Kopf für jeden, der ihn einlieferte, sechstausend Piaster werth war.
Als die Beamten ihre Untersuchung beendet hatten, begann Pierre Harcher:
»Vielleicht thun wir gut, am jenseitigen Stromufer Zuflucht zu suchen.
– Dahin geht auch mein Rath, bemerkte Michel.
– Doch weshalb? fragte Johann. Ist unser Fahrzeug jenen Leuten verdächtig vorgekommen? Ist etwa nicht Alles verlaufen wie gewöhnlich? Kann Jemand auf den Gedanken kommen, ich gehörte nicht zur Familie Harcher’s wie Deine Brüder und Du selbst?
– O, ich meine, das ist sogar in der That der Fall, rief Jacques, der Jüngste der fünf, der immer lustig und guter Dinge war. Unser braver Vater hat so viel Kinder, daß eins mehr oder weniger auch nichts ausmacht, und er sich in dieser Hinsicht selbst einmal täuschen könnte.
– Und übrigens, fügte Tony hinzu, liebt er Dich wie einen Sohn, und
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