Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe der Ewigkeit

Die Farbe der Ewigkeit

Titel: Die Farbe der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DANA KILBORNE
Vom Netzwerk:
Licht. Schlagartig fiel Hope auf, wie still es auf einmal war. Selbst das allgegenwärtige Zirpen der Zikadenchöre war verstummt, und auch der Wind hatte sich gelegt.
    Eine Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen. Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Harun war auf einen Felsblock, so hoch wie zwei Mann, geklettert. Trotz seiner gewaltigen Körperfülle schien er überraschend geschickt und wendig zu sein. Oben angekommen breitete er die Arme aus und reckte das Gesicht dem Himmel entgegen. Es sah fast ein bisschen so aus, als würde er beten. Was tat er denn da bloß?
    Und dann fing er plötzlich an, sich zu verändern. Gebannt, fasziniert und entsetzt zugleich beobachtete Hope das schreckliche Schauspiel.
    Harun schien größer zu werden, gleichzeitig wuchsen auch die Muskeln seiner Arme und Beine. Hope glaubte, das Knacken und Knirschen von Gelenken und Knochen zu hören, ihr rieselte ein eisiger Schauer den Rücken hinunter.
    Was, zum Teufel, passierte da?
    Und dann sah sie, dass sich auch Haruns Gesicht verändert hatte. Vorher rundlich und mit feisten Wangen und tief in den Höhlen liegenden dunklen Augen war es nun kaum wiederzuerkennen. Es hatte sich auf eine so furchtbare Weise verformt, die Hope das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sein Mund war in die Länge gezogen und erinnerte jetzt mehr an die Schnauze eines räudigen Hundes als an das Antlitz eines Menschen, und seine Augen waren von einem alles verzehrenden Feuer beseelt. Zottiges, braunes Haar bedeckte seinen ganzen Körper, was sie sehen konnte, weil seine Kleidung nur noch aus Stofffetzen bestand, überall zerrissen und aufgeplatzt war.
    Während Hope ihn noch ungläubig und fassungslos anstarrte, reckte er den Kopf zum Himmel, öffnete das Maul und entblößte zwei Reihen Angst einflößender Raubtierzähne.
    Im nächsten Moment hallte ein schauriges, lang gezogenes Heulen durch das nächtliche Tal.
    Hopes Atem ging stoßweise. Sie drückte sich mit dem Rücken gegen den Felsblock, in dessen Schatten sie sich vorborgen hielt, so als könne der Stein sie vor dem Wesen schützen, in das Harun sich verwandelt hatte.
    Ihre Gedanken rasten, doch ihr Körper war wie erstarrt.
    Blitzartig ruckte der Kopf des Monsters, das einmal Professor Baxters Assistent gewesen war, herum und blickte genau in ihre Richtung. Die Nasenflügel des Wesens bebten, als es geräuschvoll Luft in seine Lungen sog. Zu ihrem Entsetzen erkannte Hope, was es da machte.
    Es nahm Witterung auf.
    Ihre Witterung!
    Die schreckliche Erkenntnis riss Hope endlich aus ihrer Erstarrung. Weg hier, nichts wie weg! schrie alles in ihr. Sie wirbelte herum und begann zu laufen, so schnell ihre Füße sie trugen. Irgendwo hinter ihr erklang ein schriller Wutschrei. Sie war entdeckt worden! Ihre Lungen brannten wie Feuer, und glühende Messer schienen sich in ihre Seiten zu bohren, trotzdem beschleunigte sie ihr Tempo noch. Denn sie wusste genau: Wenn sie Harun in die Hände fiel, würde sie ganz andere Probleme haben als Atemnot und Seitenstechen.
    Aus Angst vor dem, was sie sehen würde, wagte sie es nicht, zurückzublicken. Auch so glaubte sie den heißen, faulig riechenden Atem des Monsters, in das Harun sich verwandelt hatte, schon im Nacken zu spüren.
    Und dann erreichte sie das Camp. Ein erleichtertes Seufzen entrang sich ihrer Kehle, als sie im flackernden Schein eines Lagerfeuers ein paar der arabischen Hilfsarbeiter sitzen sah. Nur noch ein paar Schritte, und sie war in Sicherheit!
    Erst jetzt brachte sie den Mut auf, einen Blick über die Schulter zu werfen. Die Wüstenlandschaft hinter ihr lag verlassen da.
    Keine Spur von dem Monster, das sie verfolgt hatte.
    Irritiert runzelte Hope die Stirn. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Harun einfach so aufgegeben hatte. Er wusste, dass sie ihn gesehen hatte, und ihm musste klar sein, dass sie ihr Wissen nicht einfach für sich behalten würde. Das Risiko, dass sein Geheimnis ans Licht kam, konnte er doch unmöglich eingehen!
    Er ist weg – wen interessiert da schon das Wie und Warum? Lauf weiter!
    Sie wollte gerade wieder nach vorne schauen, als sich plötzlich ein Schatten über sie legte. Sie stutzte. Im nächsten Moment spürte sie einen scharfen Schmerz am Hinterkopf – dann umfing sie undurchdringliche Finsternis.

10. KAPITEL
    Nick erreichte das Ausgrabungscamp kurze Zeit später, in den frühen Morgenstunden. Er hatte den vergangenen Abend und die halbe Nacht versteckt in einem Stall, eingepfercht zwischen Ziegen und Schafen,

Weitere Kostenlose Bücher