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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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sanft schwingen ließ. Obwohl die Männer ihm geraten hatten, weiter unten zu bauen, »tiefer in der Ebene, Mr Blackstone, wo die Winter nicht so hart sind«, war er bei seinem Entschluss geblieben. Er wünschte sich sein Haus hoch oben, nahe bei den Bäumen. Er wollte das Buschland im Rücken wissen und die Ebene unter sich. Er war ein Mann aus Norfolk, der Sohn eines Viehauktionators und gleichzeitig dessen Angestellter. Er war bei jedem Wetter auf Landstraßen und Farmwegen unterwegs gewesen. Der Winter hatte nichts Schreckliches für ihn. Und der Kamin war solide gebaut und stabil. Harriet und Lilian würden es warm im Lehmhaus haben, wenn der Schnee kam – falls Schnee kam. Und jedes Mal, wenn er durch die hübsch gearbeiteten Fenster mit ihren Holzrahmen schaute, sah er all das viele Land, das ihm gehörte, das erste Land, das er jemals besessen hatte und das ihn nur ein Pfund pro Morgen gekostet hatte. Mit der Zeit – in gar nicht allzu ferner Zeit – würde dieses Land verwandelt sein. Es würde eingezäunt und mit Hecken und Bäumen bepflanzt sein. Er würde einen Teich für Enten und Gänse ausheben. Weiden würden sich zu dem Teich hinneigen, so wie sie es an den Seen in Norfolk taten. Das Tussockgras würde untergepflügt und Klee für die Pferde undWeizen für den Haushalt gesät werden. Es würde eine Mühle geben.
    Joseph arbeitete so hart am Lehmhaus, dass er in den heißen Nächten, während er dem melancholischen Schrei der Wekaralle lauschte, ohne Schwierigkeiten in einen traumlosen, betäubten Schlaf fiel. Eingerollt in eine gestreifte Decke, die nach Kampfer roch, lag er am Bach, den Kopf in die Armbeuge geschmiegt. Er war fünfunddreißig, ein schlanker, sehniger Mann mit hellen Augen. Sein Haar war dunkel, und seine Füße waren lang und schmal. Und er hatte schon die Angewohnheit entwickelt, sich über seinen dünnen, schwarzen Bart zu streichen, wenn er die Augen schloss.
    Gewöhnlich weckte ihn das Geräusch des Wassers bei Sonnenaufgang, selten vorher. Als würde der Bach in den Stunden der Dunkelheit zu einem stummen Teich und sammelte erst morgens wieder genügend Kraft, um zu fließen.
    Die Männer erklärten Joseph, dass dieser Wasserlauf keinen Namen trage, »aus dem einfachen Grund, weil niemand sich hier lange genug aufgehalten hat, um ihn zu benennen«.
    Also beschloss Joseph, ihn »Harriet-Bach« zu nennen, weil er wusste, wie sehr das seiner neuen Frau gefallen würde. Er stellte sich vor, wie sie an dem alten Mahagonitisch saß, der auf der Albert von England hergekarrt worden war, und ihrem Vater, dem Erdkundelehrer, schrieb, wie schnell das Wasser über die Steine eilte, »und findest Du das nicht sehr romantisch von Joseph?«
    Als die Zeit meiner Schande vorbei war, schenkte ich meiner Frau einen kleinen Fluss.
    Lilian würde darüber natürlich nicht glücklich sein. Joseph wusste, dass sie es lieber gesehen hätte, wenn er nach ihr hieße und sie so im Zentrum von allem stünde, auch wenn dies alles lediglich aus einem Kattunzelt in einem Haus aus Lehm bestand. Aber mit der Zeit, sagte er sich, wenn es erst einmal den Teich gab und die Weiden, wenn das Land eingezäunt war unddie Tiere gediehen … dann würde Lilian sicherlich auch für die Schönheit dieser neuen Welt empfänglich werden. Sicherlich würde sie dann endlich einsehen, dass ihr einziges Kind das Richtige getan hatte. Und wenn nicht, dann hätte er sich immerhin krummgelegt und es versucht.
    Einen verdammt sturen Kakadu nannten ihn die Männer mittlerweile untereinander. Und in der Abenddämmerung erzählten sie ihm am Feuer Kakadu-Geschichten. »Wissen Sie, dass der Kakadu einen Falken imitieren kann, Mr Blackstone? Das tut er, um den Hühnern Angst zu machen. Er tut es nur aus Spaß, nur um zu sehen, wie die Hühner gackernd die Flucht ergreifen! Und er kann auch lachen. Hat Ihnen das mal jemand erzählt? Die Hühner spritzen auseinander oder fallen tot um vor Angst, und der alte, herzlose Kakadu lacht wie ein Hyäne.«
    Joseph lächelte, weil sie sein Lächeln erwarteten und weil er gut mit diesen Menschen auskommen wollte, die ihm halfen und ihm alles beibrachten, was er zum Überleben brauchte. Aber das Wort »herzlos« ließ ihn erschauern. Er rückte näher ans Feuer. Er klammerte sich in Gedanken an Harriet, und als Trost rief er sich nicht ihr seidiges Haar oder ihren kräftigen Körper in Erinnerung, sondern ihren Schneidezahn, der schief vorschaute, wenn sie lächelte, was er eigentlich nicht

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