Die Farben der Sehnsucht
mich, als ich kurz darauf auf den Beifahrersitz kletterte. „Hattest du einen schönen Tag?“
Jeder Tag mit Brad und Cody war ein schöner Tag, und ich hauchte ihm einen Kuss auf die Wange – ich war ihm für so vieles dankbar. „Ja, den hatte ich. Wie war die Untersuchung?“
„Sehr gut. Der Doktor sagt, dass ich ein kerngesunder Mann bin.“
Ich lächelte ihm zu. „Dann sorge dafür, dass das auch so bleibt.“
„Jawohl, Ma’am.“
Nach einer kurzen Pause erzählte ich ihm: „Ich hatte heute Nachmittag den Gebetsschal-Kurs.“
Er nickte, während er sich in den Verkehr auf dem Freeway einfädelte. Wir wohnen nur circa fünfzehn Autominuten von meinem Laden entfernt.
„Margaret hat sich entschieden, ihren Schal für Julia zu stricken“, fuhr ich fort. „Sie macht sich große Sorgen um sie.“
Brad warf mir einen Blick zu. „Kann Julia nachts wieder ein bisschen besser schlafen?“
„Ich glaube nicht. Und ich glaube, dass Margaret auch Schlafprobleme hat. Sie kann nicht loslassen.“ Meine Schwester war schon immer eine starke Persönlichkeit. Ihr Wille hatte ihr in der Highschool geholfen, als sie im Sportunterricht brillierte. Sie zählt zu den fähigsten Frauen, die ich kenne. Alles, was meine Schwester sich vornimmt, erreicht sie auch.
Als wir noch Kinder waren, war sie eine Spitzensportlerin in unserem Schulbezirk und glänzte in jeder Disziplin, die sie ausprobierte. Ich war die kränkliche, schwache Schwester, für die jeder nur Mitleid empfand. Es kostete Margaret und mich viel Zeit, bis wir endlich anfingen, uns wie Schwes tern zu benehmen. Die Verantwortung für unsere Mutter zu teilen, schweißte uns zusammen. Und der Wollladen tat ein Übriges.
In der jetzigen Situation fühlte ich besonders mit Margaret und wollte ihr helfen. Aber sie wollte um jeden Preis unabhängig sein – in der Hinsicht hatte sich nichts geändert.
Als Matt im letzten Jahr arbeitslos war, hatte sie alles getan, um zu vertuschen, dass ihre Familie drauf und dran war, ihr Haus zu verlieren. Ich hatte ihnen schließlich finanziell unter die Arme greifen können und war froh darüber. Aber Margaret – auch wenn sie sicher dankbar war – hatte Schwierigkeiten gehabt, meine Hilfe anzunehmen.
„Du bist plötzlich so still“, sagte Brad, als er den Freeway verließ.Einige Minuten später kamen wir in unsere Wohngegend.
„Ich musste nur gerade an Margaret denken“, erwiderte ich und seufzte leise.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte er.
Ich dachte einen Moment lang darüber nach und schüttelte schließlich den Kopf. „Und bei dir? Gibt es etwas, worüber du reden möchtest?“, erkundigte ich mich, während wir darauf warteten, dass das Garagentor hochfuhr.
„Ja, es gibt tatsächlich etwas“, sagte Brad. Cody rannte über die Straße – nachdem er aufmerksam nach links und rechts geschaut hatte, wie wir es ihm beigebracht hatten. Eine unserer Nachbarinnen passte jeden Nachmittag eine Stunde lang auf unseren Sohn auf, wenn er von der Schule heimkam.
Cody holte die Post und reichte sie Brad, als wir das Haus betraten. Chase sprang aufgeregt um uns herum, und Cody ließ ihn in den eingezäunten Garten hinaus.
„Du wolltest etwas mit mir besprechen?“, erinnerte ich Brad.
Er sah gerade die Post durch, hielt nun inne und hob den Kopf. „Und ob ich das will.“ Er machte eine bedeutungsschwere Pause. „Was gibt es zum Abendessen?“, fragte er mit einem Grinsen. „Es blieb keine Zeit, Mittag zu essen, und dein Ehemann hat einen Riesenhunger.“
13. KAPITEL
Alix Townsen d
Samstag war einer dieser hektischen Tage, die Alix manchmal zu überwältigen drohten. Sie war den ganzen Morgen mit Jacqueline und Tammie Lee unterwegs gewesen, und am Mittag war sie total erschöpft, obwohl sie noch jede Menge Besorgungen zu erledigen hatte. Jordan würde den ganzen Tag mit der kirchlichen Jugendgruppe fort sein, mit der er sich irgendwo im östlichen Washington eine christliche Rockband anhören wollte. Er würde erst am späten Abend zurückkommen. Normalerweise begleitete sie ihn, doch dieses Mal hatte sie sich entschuldigt.
Sie holte für Jacqueline einige Sachen aus der Reinigung, kaufte sich selbst Zahnpasta und Shampoo und brachte ein paar Bücher in die Leihbibliothek zurück. Da sie viel las, verbrachte sie eine Stunde in der Bücherei, um zu stöbern. Schließlich entschied sie sich für ein paar neue Krimis, einen historischen Roman, der in der Umgebung von Puget Sound spielte, und einen
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