Die Farben der Sehnsucht
Stunden lang weitergeredet.
Während der Unterhaltung mit Alix war ihr ihre eigene Situation noch einmal deutlich geworden. Sie wusste, dass die meisten ihrer Bemerkungen für Alix rätselhaft gewesen sein mussten. Doch sie hatte sie trotzdem nicht gedrängt, weitere Details zu erzählen, die Colette nicht preisgeben wollte. Sie konnte sich denken, was die Leute glauben würden, wenn sie von ihrer Schwangerschaft erfuhren. Aber Alix hegte keine Vorurteile. Im Gegenteil – sie akzeptierte andere Menschen und Meinungen, war tolerant und freundlich.
Im Verlauf des Gesprächs erzählte Alix auch etwas über ihr eigenes Leben. Colette hätte niemals geglaubt, dass die junge Frau solch traumatische Erfahrungen gemacht hatte. Es war schwierig für sie, ihren Schock darüber vor Alix zu verbergen. Sie hatte gehört, welche Kämpfe Alix ausfechten musste, und fühlte sich ihr so nahe, wie seit Jahren keinem anderen Menschen mehr.
Dabei hatte Colette immer geglaubt, einige gute Freunde zu haben.
In den vergangenen sechs Jahren hatte sich ihr Leben fast nur um ihren Job bei Dempsey Import s gedreht. Die meiste Zeit hatte sie mit Kollegen verbracht, von denen einige zu Freunden geworden waren. Diese Menschen ersetzten die Freunde, die sie auf dem College gehabt hatte. Während ihrer Ehe mit Derek waren es dann meistens Polizisten und ihre Frauen gewesen, die sie kennenlernte – doch nach Dereks Tod hatten sich diese „befreundeten Pärchen“ nach und nach wieder zurückgezogen. Später, als sie Dempsey Import s verließ, brach sie auch den Kontakt zu ihren Arbeitskollegen ab, damit Christian sie über diese Freunde nicht ausfindig machen konnte.
Jetzt festzustellen, wie wenige Freunde ihr überhaupt noch geblieben waren, traf Colette schwer.
Sie war deswegen nicht böse oder bestürzt. Sie fand es einfach nur sehr aufschlussreich.
Als sie so über sich selbst nachdachte, war sie gezwungen, zuzugeben, dass sie auch keine gute Freundin gewesen war – und sie war entschlossen, das zu ändern. Jenny war ein gutes Beispiel. Nicht ein Mal seit ihrem Jobwechsel hatte sie Kontakt zu Jenny aufgenommen, obwohl sie von Zeit zu Zeit darüber nachdachte – meist jedoch aus den falschen Gründen. Jenny fragte sich bestimmt, warum Colette so überstürzt gegangen war und warum sie den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte.
Diese Erkenntnis bewog sie dazu, eine Entscheidung zu treffen – zwei Entscheidungen, um genau zu sein. Sie würde Jenny anrufen. Und sie würde Alix eine Freundin sein. Wenn sie über das Gespräch mit ihr nachdachte, glaubte sie, dass auch Alix sich mit ihr verbunden fühlte. Sie beide hatten ihre Probleme, und es gab keinen Grund dafür, sich gegenseitig etwas vorzumachen. Wenn Alix über die Hochzeit sprechen wollte, war Colette entschlossen, ihr zuzuhören.
Als es an der Tür klopfte, schrak Colette unwillkürlich zusammen. Sie atmete einmal tief durch, ging langsam die Stufen hinunter und öffnete. Christian Dempsey stand vor ihr und wirkte so selbstsicher und souverän wie immer.
Colette gelang es zu lächeln. „Wie ich sehe, bist du pünktlich“, sagte sie. Es war der schwache Versuch, ein Gespräch zu beginnen – schwach vor allem deshalb, weil sie wusste, dass Christian Dempsey noch nie in seinem Leben zu spät gekommen war. Sein Tag war strikt durchgeplant.
„Bist du so weit?“, fragte er knapp.
Colette nickte. „Ich hole nur schnell meine Tasche und eine Strickjacke.“ Sie lief die Treppe hinauf und suchte zusammen, was sie brauchte. Als sie aus dem Schlafzimmer kam, stellte sie fest, dass Christian ihr nach oben gefolgt war. Er stand mitten in ihrer kleinen Wohnung und blickte sich neugierig um. Whiskers kam ins Zimmer, und Christian beugte sich hinunter, um das Tier zu streicheln. Der Kater schnurrte behaglich, hob den Schwanz und streckte sich.
„Ich wusste nicht, dass du eine Katze hast.“
„Whiskers gehört Lydia, der Besitzerin des Wollladens“, erklärte Colette. „Sie hat vor mir in diesem Apartment gewohnt. Als sie geheiratet hat, ist sie ausgezogen, aber Whiskers sieht die Wohnung noch immer als sein Zuhause an. Ich habe den Eindruck, als würde er mir gnädig gestatten, hier zu wohnen.“
Christian lächelte, als er sich wieder aufrichtete. Whiskers strich zwischen seinen Beinen entlang, als wollte er sagen, dass dieser Mann jederzeit gern zu Besuch kommen konnte.
Colette entschied sich, Whiskers warmherziges Willkommen zu ignorieren. Sie begleitete Christian die Treppe
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