Die Farben der Sehnsucht
hinab, und gemeinsam gingen sie durch die Seitenstraße zur Blossom Street, wo sein Wagen stand. Wie sie es erwartet hatte, fuhr er einen schicken tiefergelegten Sportwagen – sie war sich nicht bewusst wie tief, bis er ihr die Beifahrertür öffnete und sie versuchte, möglichst elegant in den Wagen zu schlüpfen. Zum Glück huschte angesichts ihres nicht sehr eleganten Versuchs einzusteigen nur ein feines Lächeln über sein Gesicht.
Er übte sich in Small Talk und sprach über die Blossom Street, während er sich neben sie in den Wagen setzte und den Motor startete.
Da sie sich nie sonderlich für Autos interessiert hatte, konnte Colette nicht sagen, um welche Marke es sich handelte. Sie bemerkte nur, dass der Motor sehr satt klang und der Wagen zwischen den Ampeln mühelos beschleunigte, bis sie auf den Freeway bogen. Von da an zischten sie an den anderen Fahrzeugen vorbei, als würden diese nur langsam vorwärts kriechen. Christian schien sich keine Sorgen zu machen, vielleicht wegen überhöhter Geschwindigkeit einen Strafzettel zu kassieren.
Sie hatte nicht daran gedacht, nachzufragen, wo sie essen gehen wollten. Als er nun ein Restaurant im Hafengebiet von Everett erwähnte, war sie überrascht. Everett lag vierzig bis sechzig Minuten von Seattle entfernt – je nachdem, wie viel Verkehr herrschte.
Sie erreichten Everett in fünfunddreißig Minuten, während derer Christian das Gespräch praktisch allein führte.
Obwohl sie es sich fest vorgenommen hatte, gelang es Colette nicht, sich zu entspannen. Sie verstand noch immer nicht, warum er auf dieser Verabredung bestand. Und doch schuldete sie ihm die Wahrheit. Er verdiente es, zu erfahren, dass sie schwanger war und er der Vater des Kindes. Und dass sie ihn angelogen hatte, als er sich vor einiger Zeit danach erkundigt hatte. Alles, was sie nun brauchte, war den Mut, es ihm zu sagen.
Sie wusste, dass er früher oder später wahrscheinlich verhaftet werden würde. Die Tatsache, dass sie selbst die Behörden alarmiert hatte, lastete schwer auf ihren Schultern. Unzählige Male hatte sie sich gefragt, ob sie nicht vielleicht einen Fehler gemacht hatte. Doch bis jetzt sprach alles dafür, dass sie diesem Mann nicht trauen durfte … Wie auch immer – sie musste ihm von dem Baby erzählen. Das war eine Entscheidung, die sie während einiger schlafloser Nächte getroffen hatte.
Als sie bei dem Restaurant in Everett ankamen, übergab Christian den Wagenschlüssel dem Parkservice und half Colette aus dem Auto – was sie sehr zu schätzen wusste.
Im Restaurant wurden sie an einen runden Tisch für zwei Personen geführt, der ganz romantisch für sich allein und etwas abgeschieden stand. Man reichte ihnen zwei in Leder gebundene Speisekarten und brachte kurz darauf eine Flasche französischen Champagner.
„Ich hoffe, du magst Champagner.“
„Ja, aber ich trinke nur, wenn ich etwas zu feiern habe“, sagte sie. „Und im Augenblick sehe ich keinen Anlass dazu.“ Sie fand, dass das ein guter Moment war, um ihn auf seine ungewisse rechtliche Situation anzusprechen. „Christian“, begann sie und blickte ihn über den Tisch hinweg eindringlich an. „Ich möchte, dass du ernsthaft überlegst …“ Sie zögerte.
„Ja?“
Aus Angst, jemand könnte ihre Worte hören, senkte sie die Stimme, als sie fortfuhr: „Wenn es möglich ist, möchte ich dich bitten, zur Polizei zu gehen.“
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Das kann ich nicht.“
„Christian“, sagte sie und bemühte sich, nicht zu flehentlich zu klingen. „Du weißt, was ich getan habe.“
„Ich weiß über den Brief Bescheid.“
„Dann weißt du auch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis … bis es einen Haftbefehl geben wird.“
Er zuckte achtlos die Schultern. „Ich habe einen exzellenten Rechtsanwalt.“
„Aber …“
„Um ehrlich zu sein, möchte ich nicht darüber reden.“
Natürlich. Sie senkte den Blick. Denn sie hatte Angst, dass er sonst merken würde, wie sehr sie sich um ihn sorgte und wie viel sie für ihn empfand. Angst, dass er das Geheimnis, das sie hütete, erraten könnte. „Wenn du jetzt noch nicht angeklagt bist, wirst du es aber bald sein.“
Wieder zuckte er die Achseln. „Vielleicht. Trotz deines Briefes scheine ich die Prüfung durch die Zuwanderungsbehörde überstanden zu haben.“
„Oh.“ Doch sie fragte sich, ob die Behörde die ganze Geschichte kannte – oder ob er ihr überhaupt die Wahrheit erzählte.
„Das ist also der Grund,
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