Die Farben der Zeit
Stimme, und als ich mich, so gut es ging, umdrehte, erkannte ich Dunworthys Sekretär.
»Finch«, sagte ich. »Gott sei Dank, Sie sind’s. Ich wollte gerade Mr. Dunworthy aufsuchen.«
Er befreite die verhakte Epaulette und nahm mich beim Arm. »So herum, Sir«, sagte er. »Nicht so, hier durch. Ja, so ist es richtig. Nein, nicht so herum drehen«, und gab mir so schließlich die Freiheit zurück.
Allerdings stand ich wieder auf derselben Seite wie vorher. »Das bringt nichts, Finch«, sagte ich. »Um ins Balliol hineinzukommen, müssen wir in jedem Fall durch das Tor da.«
»Das hier ist Merton«, erwiderte er. »Sie befinden sich auf ihrem Sportplatz.«
Ich drehte mich um und schaute, wohin sein Finger wies. Finch hatte recht. Dort war das Fußballfeld, dahinter das Cricketfeld und dahinter, in Christ Church Meadow, erhob sich der eingerüstete und mit Plastikplanen bedeckte Turm der Kathedrale von Coventry.
»Wie kommt denn das Tor vom Balliol College hierher?« fragte ich.
»Das ist der Fußgängereingang von Merton.«
Ich schielte zu dem Tor. Wahrhaftig… Es war ein Drehkreuztor, damit keine Fahrräder mit hineingenommen werden konnten.
»Die Schwester sagte, die Zeitkrankheit hätte Sie erwischt, aber ich ahnte ja nicht… Nein, hier entlang.«
Er packte mich wieder am Arm und schob mich den Weg entlang.
»Die Schwester?«
»Mr. Dunworthy schickte mich zum Krankenhaus, um Sie abzuholen, aber Sie waren bereits fort«, sagte er, mich zwischen Häusern hindurch auf die High Street führend.
»Er wollte Sie sprechen, obwohl es mir nicht ganz klar ist, wozu Sie ihm in dieser Verfassung nützlich sein könnten.«
»Er wollte mich sprechen?« fragte ich verwirrt. Ich hatte gedacht, ich sei derjenige, der Dunworthy sprechen wollte. Dann fiel mir etwas anderes ein. »Woher wußte er, daß ich im Krankenhaus bin?«
»Lady Schrapnell rief ihn an«, entgegnete Finch, und ich machte einen Satz, um in Deckung zu gehen.
»Schon gut, schon gut.« Finch folgte mir in den Ladeneingang, in den ich mich geduckt hatte. »Mr. Dunworthy erzählte ihr, Sie seien nach London ins Royal Free gebracht worden. Sie wird mindestens eine Stunde brauchen, um dorthin zu kommen.« Er zog mich gewaltsam aus dem Eingang und über die High Street. »Meiner Ansicht nach hätte er ihr sagen sollen, Sie seien im Manhattan General. Wie halten Sie das bloß aus?«
Augen aufgesperrt und aufgepaßt, sagte ich zu mir selbst und folgte Finch auf dem Spazierweg entlang der Universitätskirche St. Mary The Virgin’s, wobei ich mich eng an der Mauer entlangschob.
»Sie hat überhaupt kein Gefühl dafür, was sich gehört«, sagte Finch. »Übergeht den normalen Verwaltungsweg, füllt keine Anforderungsanträge aus. Überfällt einen einfach, und weg ist alles – Büroklammern, Bleistifte, Handcomputer.«
Und Historiker, dachte ich.
»Selbst wenn ich einmal Zeit hätte, Vorräte zu bestellen, wüßte ich überhaupt nicht, was ich bestellen sollte. Ich verbringe meine ganze Zeit damit, diese Dame von Mr. Dunworthys Büro fernzuhalten. Immerfort erscheint sie, um auf irgendwas herumzureiten. Mauerkappen, Messingbeschläge, Meßbücher. Letzte Woche ging es um die abgebröckelte Stelle am Grab von Wade. Wie sie abgebröckelt ist und wann, vor dem Angriff oder während und welche Art Kanten der Sarkophag hatte, glatt oder rauh? Absolut authentisch muß es sein, sagt sie. Gott steckt…«
»… im Detail«, ergänzte ich.
»Sie wollte sogar mich rekrutieren«, sagte Finch. »Wollte, daß ich zum Blitzkrieg springe und des Bischofs Hobelbänke suche.«
»Vogeltränke«, verbesserte ich.
»Sagte ich doch«, erwiderte er und schaute mich scharf an. »Sie haben wirklich Schwierigkeiten, Töne zu unterscheiden, stimmt’s? Die Schwester sagte das auch. Und Sie sind vollkommen orientierungslos.« Er schüttelte den Kopf. »Sie werden keine große Hilfe sein.«
»Warum wollte Mr. Dunworthy mich sprechen?«
»Es gab einen Zwischenfall.«
Zwischenfall war das Wort, mit dem das Hilfsfeuerwehrkorps alles umschrieb, was im Umfeld einer explodierten Sprengstoffbombe passierte – Häuser, die zu Trümmerhaufen reduziert worden waren, verschüttete Menschen, Brände, so weit das Auge reichte. Aber Finch meinte sicher nicht diese Art Zwischenfall. Oder ich hatte immer noch Hörprobleme.
»Ein Zwischenfall?«
»Ein Unglück, genauer gesagt. Eine unserer Historikerinnen. Neunzehntes Jahrhundert. Ließ eine Glatze mitgehen.«
Oh, es waren eindeutig
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