Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
Vom Netzwerk:
Lady Schrapnells Ururgroßmutter.«
    »Weiß ich«, sagte ich. »Es veränderte unser aller Leben.«
    »Hier!« rief Carruthers von der Draperschen Kapelle herüber. Er lag auf den Knien. »Ich habe etwas gefunden.«
    Er grub, was den Luftdruck betraf, in der falschen Richtung, und zunächst sah ich bloß einen Haufen verkohltes Fachwerk, aber Carruthers deutete auf etwas mittendrin.
    »Ich seh’s!« sagte der Kirchendiener. »Es sieht nach Metall aus.«
    »Machen Sie die Taschenlampe an«, befahl Carruthers dem neuen Rekruten.
    Der Rekrut, der vergessen hatte, wie man die Lampe anknipste, fummelte eine Weile damit herum und traf, als sie endlich anging, mit dem Lichtstrahl direkt Carruthers’ Gesicht.
    »Nicht auf mich«, schimpfte Carruthers. »Hier unten hin!« Er riß ihm die Lampe aus der Hand, beleuchtete das Gebälk, und meine Augen erhaschten ein metallisches Glitzern. Mein Herz hüpfte.
    »Weg mit den Balken«, sagte ich, und gemeinsam machten wir uns an die Arbeit.
    »Da ist es«, sagte der Kirchendiener, und Carruthers und der neue Rekrut zerrten etwas aus dem Haufen heraus.
    Das Metall war schwarz vor Ruß, das Ganze völlig zerbeult und zerquetscht, aber ich wußte sofort, um was es sich handelte, und der Kirchendiener auch. »Es ist einer der Sandeimer«, sagte er und brach in Tränen aus.
    Es war physisch unmöglich, daß der Kirchendiener auch an der Zeitkrankheit leiden konnte, außer sie war irgendwie ansteckend. Wie dem auch sei, er gab eine gute Imitation davon ab.
    »Ich sah diesen Sandeimer noch gestern abend«, heulte er in ein völlig verrußtes Taschentuch, »und seh’n Sie mal, wie er jetzt aussieht.«
    »Wir werden ihn saubermachen«, sagte Carruthers und tätschelte dem Kirchendiener unbeholfen die Schulter. »Er wird so gut wie neu aussehen.« Das bezweifelte ich.
    »Der Henkel ist glatt abgerissen«, sagte der Kirchendiener. Er schnaubte sich geräuschvoll die Nase. »Ich füllte diesen Eimer eigenhändig mit Sand. Hängte ihn selbst ans Südportal.«
    Das Südportal lag am anderen Ende der Kirche, die ganze Länge des Kirchenschiffes und Reihe um Reihe Bänke aus solidem Eichenholz zwischen ihm und der Draperschen Kapelle.
    »Wir werden den Henkel finden«, versprach Carruthers, was ich ebenso bezweifelte, und sie knieten sich hin wie zum Gebet und begannen, rings um den Haufen Fachwerk zu graben.
    Ich ließ sie und den neuen Rekruten, der unter die Stufen spähte und offenbar nach weiteren Katzen Ausschau hielt, allein und ging dorthin, wo das Dach in einem Stück heruntergebrochen war.
    Und stand dort, wo der Hauptgang gewesen war, und versuchte herauszufinden, wo ich jetzt nachschauen sollte. Der Luftdruck hatte den Sandeimer fast durch die ganze Kirche geschleudert, entgegengesetzt der Richtung des Luftdrucks, der das Fenster in der Smithschen Kapelle herausgedrückt hatte. Das bedeutete, daß des Bischofs Vogeltränke überall sein konnte.
    Und es war Nacht. Die Suchscheinwerfer schwenkten ihre Strahlen in großen Bögen über den Himmel, und im Norden erleuchtete das orangebraune Glühen eines Feuers, das die Posten Eins bis Siebzehn noch nicht unter Kontrolle bekommen hatten, die Nacht, aber beides gab nicht genug Licht, und der Mond war nirgends zu entdecken.
    Wir würden nicht mehr länger arbeiten können, und Lady Schrapnell würde uns im Netz treffen und wissen wollen, wo wir gewesen waren und warum wir des Bischofs Vogeltränke nicht gefunden hatten. Sie würde mich zurückschicken, schlimmer noch, sie würde mich wieder auf die Wohltätigkeitsbasare ansetzen, mit all den fürchterlichen Federhalterwischern und bestickten Teedeckchen und steinharten Kuchen.
    Vielleicht sollte ich besser hierbleiben, mich zur Infanterie melden und mich an irgendein friedliches, ruhiges Plätzchen schicken lassen, zum Beispiel an die Strände der Normandie. Nein – dieser Tag kam ja erst 1944. Also auf nach Nordafrika! Nach El Alamein!
    Ich schob das verschmorte Ende eines Kerzenleuchters beiseite und hob den Stein daneben an. Fußboden war darunter, der Sandsteinboden der Dyerschen Kapelle. Ich setzte mich auf eine Mauerkappe.
    Mr. Spivens trottete herbei und begann auf dem Fußboden zu scharren. »Zwecklos, Junge«, sagte ich. »Sie ist nicht hier.« Resigniert dachte ich an Federhalterwischer in Gestalt von Gartenwicken, die ich würde erstehen müssen.
    Mr. Spivens setzte sich mir zu Füßen und schaute mich mitleidig an.
    »Du würdest helfen, wenn du nur könntest, nicht wahr, alter

Weitere Kostenlose Bücher