Die Farben des Chaos
und hoffte, die Bewegung würde ihn wärmen. Manchmal half es, meistens aber nicht.
Er musste gähnen. Er hatte die Arbeit bei der Stadtreinigung schon als langweilig empfunden, aber das war nichts verglichen mit dem Dienst am Stadttor. Bei der Reinigung der Abwasserkanäle hätte er wenigstens die Gelegenheit bekommen, seine Beherrschung des Chaos-Feuers zu vervollkommnen. Als Magier am Stadttor hatte er nichts weiter zu tun, als auf dem Dach der Wachstube zu stehen und in die Gegend zu starren. Außerdem waren die Abwasserkanäle im Winter wärmer und im Sommer kühler. Andererseits stanken sie, wie ihm jetzt wieder einfiel. Ziemlich stark sogar.
»Ser?«
Cerryl blickte nach unten.
Diborl sah zu dem jungen Magier herauf. »Wir haben hier zwei, die eine Plakette brauchen, einen Karren und einen Fuhrmann.«
»Ich komme herunter.«
Cerryl stieg die schmale, steile Wendeltreppe hinunter und kam im hinteren Teil des Wachraums heraus. Von hier aus betrat er die Amtsstube, wo ein drahtiger Bauer mit schütterem braunem Haar wartete. Hinter ihm stand ein Fuhrmann, der eine abgewetzte graue Hose und ein ebensolches Hemd trug.
Der Bauer legte vor dem Wächter, der hier Dienst tat, wortlos fünf Kupferstücke auf die Theke, während der Fuhrmann noch unschlüssig seine Börse in der Hand hielt, in der mehrere Silberstücke oder womöglich sogar ein paar Goldstücke zu klingeln schienen. Die Gebühren waren je nach Größe des Wagens und Art des Gewerbes unterschiedlich hoch.
»Ser«, sagte der Wächter zu dem Bauern und deutete auf einen weiteren Wächter, der schon einen Bohrer, einen Hammer und einen Lederbeutel mit kupfernen Nieten in der Hand hielt, »Vykay und der Magier werden die Plakette anbringen.«
»Macht nur, damit ich weiterkomme.«
»Es wird nicht lange dauern«, versicherte Cerryl dem Mann. Der Bauer schien beinahe so alt zu sein wie Tellis, der Schreiber, bei dem Cerryl gelernt hatte, bevor die Gilde ihn gefunden und zum Magier-Anwärter gemacht hatte.
Der Karren stand hinter dem Wachhaus, ein braunes Maultier war angespannt. Das Maultier starrte Cerryl an, Cerryl starrte zurück und betrachtete die Körbe mit Kartoffeln auf der Ladefläche.
»Die Plakette muss hier an der Seite befestigt werden.« Vykay hielt die Messingplakette eine Handspanne unter die Oberkante des Kutschbocks. »Geht das so?«
»Da könnte sie bei der Einfahrt in den Schuppen hängen bleiben. Etwas höher vielleicht?« Der Bauer nickte. »Ja, dort. Es ist ein neuer Karren, der Alte taugt nichts mehr.«
Der Wächter schob die Plakette höher und sah sich fragend zu Cerryl um.
»So ist es gut.«
Mit geübten Bewegungen markierte der Wächter das Holz mithilfe eines Fettstifts, nahm den Handbohrer und bohrte die Löcher für die Nieten.
»Es ist noch gar nicht so lange her, dass es nur drei Kupferstücke gekostet hat«, sagte der Bauer zu Cerryl. »Da wart Ihr aber noch nicht hier, junger Magier.« Der Mann lächelte unsicher. »Aber man will sich ja nicht beklagen. Das nützt sowieso nichts und außerdem will ich lieber die Weißen Hauptstraßen nehmen als die schlammigen Trampelpfade, die sie anderswo Straßen nennen.«
Cerryl nickte und sah kurz zu der Plakette, die Vykay vorübergehend auf dem Kutschbock abgelegt hatte. Sie war nicht mehr als ein rechteckiges Stück Metall, auf das der Umriss des Weißen Turms und daneben eine 1 für das Winterhalbjahr und die Jahreszahl geprägt waren.
»So, das hätten wir, Ser.« Vykay richtete sich auf,. legte die Plakette an das Brett, schob die Bolzen durch die Löcher und befestigte die dazugehörigen Nieten mit zwei raschen Hammerschlägen. Dann blickte sich der Wächter zu Cerryl um.
Der Weiße Magier nickte. Er konzentrierte sich und flößte der Plakette und den Nieten ein wenig Chaos-Energie ein. Er konnte spüren, wie seine Stirn heiß wurde. »So.« Cerryl wandte sich an den Bauern. »Damit darf Euer Wagen ein Jahr lang auf allen Weißen Hauptstraßen fahren, Ser. Ich muss Euch aber warnen, dass Ihr eine neue Plakette braucht, wenn Ihr Euch daran zu schaffen macht. Und Ihr könntet Euch dabei sogar verletzen.«
»Das war mir schon bekannt, aber trotzdem, vielen Dank.« Der Bauer nickte knapp und nahm die Zügel des Maultiers, zog daran und lenkte den Karren auf die Straße hinaus. Er lief neben dem Tier, statt darauf zu reiten.
Cerryl blickte zum zweiten Wagen, einem langen, grauen Fahrzeug mit hohen Seitenwänden, deren Bretter mit Bronzebeschlägen verstärkt waren.
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