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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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und gleichzeitig erinnerte sich Henrici —
er hatte im Augenblick auf solche Dinge gar nicht aufgepaßt — , daß die
unbehandschuhten Hände des Mannes sehr gepflegt waren, und daß er unter der
Uniform nicht die grobe Wäsche der gemeinen Soldaten, sondern ein feines
Herrenhemd getragen hatte. Henrici wiegte den Kopf und schnüffelte nachdenklich
in die Luft, in der sich erst jetzt der süße Hauch des Parfüms verflüchtigte
und dem gewohnten Geruch von Stein und kaltem Weihrauch Platz gab. Ihm war
plötzlich ganz bang und traurig zu Mut, als habe man ihm ein Kind fortgetragen.
Ein seltsames Beichtkind — sagte er vor sich hin. Was hatte der wohl auf dem
Herzen gehabt?
     
     
    U m dieselbe Zeit bestellte ein Mann in
einem oberen Zimmer des Hauses Kappelhof Nr. 14 die dritte Flasche Wein. Der
Wein, den er ohne zu wählen bestellt hatte, hieß ›Feiner Malaga‹ — weil das
Mädchen Rosa, die Inhaberin des Zimmers, nur süß mochte. Es war ein schwerer,
klebriger, rasch wirksamer Südwein, von den Hausinsassen ›Verführer‹ genannt.
    Die Pächterin oder ›Mutter‹ des
Etablissements, eine Frau Guttier, die aber keinesfalls wie ein gutes Tier,
sondern französisch Güttjeh ausgesprochen werden wollte, legte keinen Wert auf
Gäste, die stundenlang oben blieben — selbst wenn sie tüchtig zahlten —,
besonders nicht an einem Abend wie heute, an dem im Kappelhofgäßchen (im
sogenannten Schiffersviertel, keine zehn Minuten vom Dom in einem Gewirr von
altertümlichen Gassen gelegen) starker Andrang herrschte. Auch mochte sie keine
Betrunkenen, die dann manchmal randalierten oder endlose Reden schwangen und
nur schwer oder gewaltsam wieder loszukriegen waren. Ihre Grundsätze waren eine
glatte Abwicklung des Geschäfts und ein gutes Verhältnis mit der Polizei.
    Als ihr gemeldet wurde, daß ein Mann im
zweiten Stock die dritte Flasche Bocksmilch bestellte — auch das war ein im
Haus gebräuchlicher Beiname des betreffenden Getränks — , und als sie erfuhr,
daß der Mann schon über zwei Stunden bei Fräulein Rosa war, während gerade ein
geschlossener Sportverein, der Velo-Club ›Harter Schlauch‹, das Wartezimmer,
das man Salon nannte, betreten hatte und nach Bedienung schrie, beschloß sie,
persönlich nach dem Rechten zu sehn, obwohl sie selbst die oberen Stockwerke selten
und nur im Fall von Höchstalarm betrat. Es lag aber hier gewiß schon die erste
Alarmstufe vor, denn die vertraute Bedienerin, die mit dem Wein oben gewesen
war, hatte ihr berichtet, daß der Mann laut geschluchzt, dabei mit den Fäusten
auf seinem Kopf herumgetrommelt habe und sich auch sonst auffällig benehme. Vor
allem sei er, nach so langer Besuchszeit und bei der dritten Flasche
Venustropfen (auch dies ein Beiname des geschätzten Weins) noch völlig
angezogen und das Lager unberührt. Dieser Umstand wirkte auf Madame Guttier
besonders alarmierend, zumal der Sportverein im Salon schon die künstliche
Palme in den Schirmständer umtopfte und nach Art eines Sprechchors, mit
zunehmender Lautstärke, die Namen der von früheren Besuchen erinnerten Mädchen
rief.
    Die Rosa, dachte Frau Guttier, während
sie ihren schweren Leib über den abgetretenen roten Plüschläufer die steile
Treppe hinauf schleppte, war allerdings keine der begehrtesten im Haus, obwohl
sie die jüngste war. Die strammen, dicken, fleischigen, mit massiven Schenkeln
und einem frechen Maul, standen im Vorzug. Die Rosa hatte eher zarte Schenkel
und Kinderwaden, auch war sie nicht schlappmäulig und konnte kein ordinäres
Wort aussprechen, nur hatte sie ein gewisses heiser-glucksendes, tiefkehliges
Lachen, das manche Herren als besonders sinnlich empfanden. Sie war, bis auf
seltene Anfälle unvermuteter Störrigkeit, die sich in Heulkrämpfen und langem
Sich-Einriegeln im Abort äußerten, von sanfter, willfähriger Gemütsart.
Ernsthafte Schwierigkeiten hatte es noch nie mit ihr gegeben, und ihre Gäste
waren gewöhnlich die stillsten oder verschämtesten der Besucher.
    Die Tür zu Rosas Zimmer war nicht
abgeschlossen, da man ja eben erst die dritte Flasche des ›Strümpfausziehers‹,
auch dies ein Beiname jenes Weins, serviert hatte, und Frau Guttier bemühte
sich nicht um irgendwelche Maßnahmen der Diskretion, sondern öffnete brüsk.
    Der Mann saß an dem kleinen Tisch,
dessen Hohlsaumdeckchen von Malagaflecken beklebt war, auf dem einzigen Stuhl,
während Rosa, die kastanienrötlichen Haare aufgelöst und nur mit einem kurzen,
blaß violetten Hemd

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