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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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bekleidet, an der Tischkante lehnte und seinen Kopf
zwischen ihren hügeligen Brüsten hielt, wie den eines betrunkenen Knaben. Er
war völlig angezogen, und das einzige, was er außer dem Hut und dem Mantel
abgelegt hatte, waren seine ungewöhnlich noblen Wildlederschuhe. Sie standen
vor dem Bett und schienen für seine Füße, die in groben Wollsocken groß und
plump aussahen, viel zu klein. Dagegen hatte er — und dies wirkte, wie Madame
Guttier später kundgab, direkt unheimlich auf sie — weiße Zwirnhandschuhe an
den Händen. Ein Mensch, sagte sie sich, der nichts zu verbergen hat, geht nicht
mit Handschuhen ins Bett. Vom Bettgehen war allerdings kaum die Rede, denn der
Mann hatte, wie schon bemerkt, noch nicht einmal den Rock seines elegant
geschnittenen, etwas übermäßig zimmetbraunen Anzugs abgelegt, der übrigens
gleichfalls für seine breite Figur einen zu engen oder knappen Eindruck machte.
    Im Augenblick war er ruhig, doch
offenbar bis zur Besinnungslosigkeit vollgetrunken. Als Rosa auf den leisen,
aber scharfen Anruf der Madame ihn losließ, fiel sein Kopf nach vorne auf den
Tisch, ein Glas umstoßend, wobei der Mann leise vor sich hin lallte. Frau
Guttier zog Rosa auf den Gang hinaus. »Der Kerl muß weg«, sagte sie, »wir haben
das Haus voll Kunden. « Was denn überhaupt mit dem los sei? — Er rede ein
bißchen komisch, sagte die Rosa, aber er sei nicht schlimm. Er habe gesagt, er
wolle für die ganze Nacht bezahlen. Diese Antwort ärgerte die Madame. »Das
könnt dir so passen«, fuhr sie das Mädchen an, »dich vom Geschäft drücken, daß
der sich ausschnaufen kann! Und ihm vielleicht noch die Hosen- und
Westentaschen ausklauen, daß es dann ein Geschrei gibt! Hier ist keine
Pennbude. Entweder er...« (sie drückte sich außerordentlich unverhohlen aus)
»oder er geht.«
    Damit betrat sie energisch das Zimmer,
in dessen überheizter, von Haaröl, Puder und verschüttetem Malaga dünstender
Luft ihr sofort der Schweiß ausbrach. Mit einem groben Wort faßte sie den Mann
an der Schulter. Der hob den Kopf, starrte sie aus geröteten Augen an. Es war
das Gesicht eines einfachen Mannes von höchstens fünfundzwanzig bis dreißig,
ein gutes, festes Bauerngesicht, nur die Augen flackerten sonderbar.
    »Laßt mich in Ruh«, sagte er schwerzüngig,
»ich bin ja tot. Ich bin tot. Tot wie der Ferdinand. Der ist nämlich auch tot.
Jetzt sind wir alle zwei gestorben...« Er schlug plötzlich mit der
behandschuhten Faust auf den Tisch und ließ ein schluchzendes Lachen hören. »Es
ist gar nichts dabei«, schrie er laut, »es ist gar nicht so übel, tot zu sein!
Es ist manchmal besser!« Er stand mit einem Ruck auf, daß Stuhl und Tisch
umstürzten, wankte zum Bett. Der ›Umleger‹ (noch ein Beiname des bekannten
Südweins) schien seine Wirkung zu tun. »Laßt mich in Ruh«, lallte er, »ich bin
ja tot.« Damit ließ er sich aufs Gesicht fallen.
    »Aufstehn!« kommandierte die Guttier,
»sofort aufstehn, abhaun! Zieh ihm die Stiefel an!« befahl sie dem Mädchen, das
zum Bett getreten war und ratlos, mit einem Anflug von Mitleid, auf den
Hingestreckten herabsah. Der regte sich nicht.
    Als aber Rosa gehorsam einen seiner
Füße hob, um ihm den Schuh anzustreifen, fuhr der Mann in die Höhe. »Ich bleibe
hier«, sagte er plötzlich ganz klar zu der Madame, »ich zahle alles.«
    »Hier ist kein Hotel«, sagte Frau
Guttier ruhiger, »hier kann man nicht bleiben. Hier ist ein Geschäft, das geht
stundenweise, und das können Sie gar nicht zahlen, für eine Nacht wie heute.«
    »Das kann ich nicht?« schrie der Mann
und schien plötzlich wieder völlig ohne Besinnung, »ich kann alles! Ich bin ja
tot! Schaut her!« Er lachte schluchzend und riß sich mit einer wilden Bewegung
das seidene Innenfutter seines zimmetbraunen Rockes auf, schmiß ein dickes
Bündel Banknoten auf den Bettvorleger. »Da, nehmt«, brüllte er, »nehmt, nehmt,
nehmt, nehmt! Wir Toten sind reiche Leut! Wir zahlen — zahlen alles...!«
    Damit fiel er aufs Bett zurück und
begann mit offenem Mund zu schnarchen. Bei diesem Fall war ihm etwas aus der
Hosentasche gerutscht, und stürzte jetzt mit hartem Aufschlag zu Boden, fast
auf Madame Guttiers Fuß. Es war eine kleine, dunkle, mit Perlmutt eingelegte
Pistole.
    »Allez vite«, sagte die Madame und
zerrte Rosa am Arm hinaus, die noch einen besorgten Blick auf den schwer
atmenden Menschen warf. Draußen drehte Frau Guttier den Schlüssel um und gab
dem Mädchen, das sie plötzlich in einem

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