Die Fastnachtsnarren. Humoresken
Herrn Paul Hildebrandt kennen lernen zu dürfen!«
Er läßt sich auf den angebotenen Sessel nieder und hört mit steigender Aufmerksamkeit den Bericht, den sie ihm von den Ereignissen der letzten beiden Tage erstattet. Noch hat sie nicht ganz geendet, so erhebt sich draußen auf der Treppe und Vorsaal ein Spektakel, der gar nicht größer und verworrener gedacht werden kann. Befehlende, bittende und kreischende Menschenstimmen bilden mit einem vielstimmigen Gebell und Geheul von Hunden ein Chaos, aus dem man endlich die rufenden Worte vernimmt:
»Auf mit der Thür, es kommt Besuch!«
Der Referendar erhebt sich und öffnet, wird aber beinahe zu Boden gerissen, denn eine ganze Anzahl scharfer Hundeaugen haben die Katzen erblickt, und was nun folgt, ist mit der Feder nicht zu beschreiben. Die Hunde drängen sich im Nu in die Stube, und es beginnt ein Kampf, der seinesgleichen sucht. Die beiden Damen sind auf das Sopha gesunken und suchen sich so viel wie möglich der über sie hinstürmenden Thiere zu erwehren; Paul hat die Geistesgegenwart, die Lampe zu vertheidigen, während alle andern nicht niet-und nagelfesten Gegenstände zu Boden gerissen und unter einander geworfen werden; vor der Thür erheben sich drei zeternde Stimmen, welche den Wirrwarr nur vermehren, und es tritt nicht eher eine Sicherheit der Person ein, als bis sämmtliche Katzen sich auf die hohen Möbels retirirt haben, wo sie von den Zähnen ihrer Feinde nicht erreicht werden können, und sämtliche Hunde mit emporgesträubten Haaren und gefletschten Zähnen am Boden sitzen, wie lebendige Belagerungsgeschütze, die jeden Augenblick Tod und Verderben sprühen können.
Die eine der drei Personen vor der Thür ist August Hildebrandt; die andern sind seine Gefangenen. Er muß sie festhalten, damit sie ihm nicht entwischen können, und darum war es ihm vollständig unmöglich, sich mit vermittelnder Strenge in den Kampf zu mischen. Jetzt aber schiebt er die Beiden in das Zimmer, verschließt die Thür von innen und zieht den Schlüssel ab.
»So, jetzt seid Ihr mir sicher!«
Dann schreitet er zur Thür der Nebenstube, öffnet dieselbe, und auf seinen befehlenden Zuruf geben die Hunde die Belagerung auf und ziehen sich vom Schlachtfelde zurück.
»August!« ruft es da vom Sopha her. Es ist die Rentière, welche leichenblaß und zitternd dasteht, die Arme halb verlangend, halb abwehrend gegen ihn ausgestreckt.
»Auguste!« antwortet er, fast ebenso erstarrt wie sie. Er hat sie erst jetzt bemerkt und glaubt eine Erscheinung vor sich zu haben.
Sie nähern und sie weichen sich wieder aus; unendliche Furcht, unendliche Hoffnung blickt und strahlt aus ihren Mienen, bis sie endlich das Vertrauen fassen und sich einander in den Armen liegen.
»Du lebst! Ist es auch wahr?«
»Du bist nicht gestorben? Man hat mich belogen!«
»Belogen? Ja, ganz fürchterlich belogen, um mich zu berauben!«
»Und mich zu bestehlen. Aber ich habe Alles wieder!«
»Ich auch. Ich fand es in Deinem Sekretär.«
»In mei – – – Meinst Du Deine Banknoten?«
»Ja.«
»Die habe ich in Wiesenburg geholt, weil ich mich für Deine Universalerbin hielt.«
»Und ich Deine Rollen und Pretiosen aus demselben Grunde in Wiesenberg.«
Der Referendar hat die Lampe auf den Tisch gesetzt und verwendet kein Auge von der Scene.
»Vater!«
»Bist Du es, Paul?«
»Ja. Darf ich Dich begrüßen?«
»Komm her!«
Es erfolgt eine herzliche Umarmung zwischen den Beiden, die Vater und Sohn sind und sich doch nie gesehen haben. Dann fragt Paul, der vermöge seines im Amte geübten Scharfblickes die ganze Situation erfaßt hat:
»Wie bist Du zu den Thätern gekommen?«
Er zeigt auf Christian und Christine, denn diese sind es. Sie sind mit Pack und Tasche ausgerüstet, als ob sie sich zur Reise begeben wollten.
»Ich sah sie vor mir hergehen und erkannte sie auf der Stelle. Unten am Hause holte ich sie ein. Sie wollten fliehen, aber mit Hülfe der Hunde zwang ich sie, mitzugehen.«
»So laß uns einmal Klarheit bekommen, Vater!«
Er beginnt das Verhör. Nicht um sich zu bereichern, sondern aus Absicht der Rache haben sie sich verabredet, ihre Herrschaft für todt auszugeben und auf diese Weise eine Verwirrung anzurichten, welche nach allem Vermuthen die Feindschaft der Hildebrandts bis auf das Höchste steigern mußte. Die beiden Belogenen erzählen ihre Erlebnisse, und als nun Alles aufgeklärt ist, fragt Paul das entlarvte Paar:
»Wo wolltet Ihr jetzt hin?«
»Nach dem Bahnhofe.
Weitere Kostenlose Bücher